Ein 30-Jähriger war wegen häufiger Kontrollen durch die Bundespolizei vor Gericht gezogen. Foto: dpa

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat die Kontrollen der Bundespolizei in Grenznähe für europarechtswidrig erklärt. Geklagt hatte ein in Kabul geborener Deutscher, der bei Baden-Baden kontrolliert wurde. Ob der Mann allein wegen seiner Hautfarbe ins Visier der Beamten gelangte, ließ das Gericht allerdings offen.

Stuttgart - Die Bundespolizei kontrolliert Reisende laut einem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart grenznah seit Jahren zu systematisch. Die Beamten sind nicht berechtigt, um Grenzgebiet zu einem Schengen-Staat wie Frankreich verdachtsunabhängig Personen auf illegale Einreise zu überprüfen, wie das Gericht am Freitag mitteilte. Gestartet als Klage gegen angeblich rassistische und diskriminierende Polizeikontrollen in Deutschland endete das Verfahren somit ohne die vom Kläger erhoffte Botschaft: Ausländisch aussehende Deutsche würden in ihrer Heimat nach wie vor diskriminiert.

Geklagt hatte ein in Kabul geborener Deutscher, der in einem ICE bei Baden-Baden als Einziger im Erste-Klasse-Waggon kontrolliert wurde. Der 30-Jährige ist sich sicher, dass er damals allein wegen seiner schwarzen Haare und dunkleren Hautfarbe gefilzt wurde. Ohne auf das Aussehen und mögliche „Racial Profiling“ einzugehen, erklärte das Gericht diese Kontrolle generell für europarechtswidrig. Entscheidend war das EU-Recht, nach dem an den Schengen-Binnengrenzen keine Personenkontrollen mehr gemacht werden.

Anwalt: Rassistische Kontrollen ächten

Die Entscheidung sei dennoch ein Erfolg beim Ziel, rassistische Kontrollen zu ächten, sagte Klägeranwalt Sven Adam. Gestützt auf das Bundespolizeigesetz würden Beamte vielfach zu angeblich zufälligen Kontrollen von Menschen mit dunkler Haut herangezogen, behauptete Adam. „Ich freue mich, dass mein Fall auf die ein oder andere Weise nun dazu beiträgt, dass diese Kontrollen irgendwann aufhören, sagte der Kläger, der seit seinem dritten Lebensjahr in Deutschland lebt, heute für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) arbeitet und angeblich regelmäßig kontrolliert wird.

Das EU-Recht drängt jedoch alles andere in den Hintergrund: Nach dem sogenannten Schengen-Grenzkodex von 2006 sind Personenkontrollen an einer Grenze wie der zu Frankreich tabu. Unzulässig sind seither alle Maßnahmen, die wie die einstigen Grenzkontrollen wirken. Überprüfungen sind laut Gericht nur erlaubt, wenn sie sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Schengen-Außengrenzen unterscheiden, etwa in Form von Stichproben.

Der Europäische Gerichtshof hatte die Kontrollen an den Grenzen im Schengen-Raum 2010 in einem Fall aus Frankreich beanstandet. Deutschland habe die Vorgaben für die Bundespolizei seither nicht EU-konform verändert, wie Vera Egenberger vom Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung berichtete. Inzwischen führe die EU-Kommission deswegen auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Nach Angaben des Verwaltungsgerichts Stuttgart fehlt es dem Bundespolizeigesetz „an verbindlichen Regelungen hinsichtlich Intensität und Häufigkeit der Kontrollen“.