Diese Rekruten der Bundeswehr sind beim Drehen eines Werbefilms im Einsatz. Foto: dpa-Zentralbild

Mit den bisherigen Methoden wird die Bundeswehr ihren Personalbedarf nicht decken können. Das gesteht das Verteidigungsministerium in einem vertraulichen Papier ein. Deshalb sollen die schon aktiven Soldaten bald länger dienen. Außerdem will Ministerin Ursula von der Leyen ungewöhnliche Wege einschlagen.

Berlin - Weil der wachsende Personalbedarf der Bundeswehr mit den bisherigen Rekrutierungsinstrumenten nicht gedeckt werden kann, will Ursula von der Leyen den Dienst bei den Streitkräften nicht nur für EU-Ausländer und Schulabgänger ohne Abschluss öffnen, sondern auch verstärkt Behinderte und Schwerbehinderte für die Truppe gewinnen. Darüber hinaus soll die Lebensarbeitszeit der Berufssoldaten schrittweise auf 62 Jahre erhöht werden. Das geht aus dem vertraulichen „Strategieprogramm 2025“ zur künftigen Personalstrategie der Truppe vor, das dieser Zeitung vorliegt.

Fazit: So wie bisher kann es bei der Rekrutierung nicht weiter gehen

Bis 2023 will die Verteidigungsministerin demnach die Rahmenbedingungen schaffen, damit die „Soldatinnen und Soldaten bis zur Allgemeinen Altersgrenze geführt werden“ können; die liegt laut Soldatengesetz für die meisten Berufssoldaten bei 62 Jahren. In den Zeiten des Personalabbaus bei der Bundeswehr wurden sogenannte „besondere Altersgrenzen“ im Soldatengesetz genutzt, um die Truppe zu verkleinern. Diese sind je nach Dienstgrad zwischen 61 und 41 Jahren gestaffelt; lediglich die körperlich besonders belasteten Kampfpiloten und Waffensystemoffiziere mit Vollendung des 40. Lebensjahrs dieses Pensionsalter. In dem Papier gesteht das Ministerium ein, „dass bisherige Ansätze zur Personalgewinnung – und bindung künftig nicht ausreichend sein werden“, um die Einsatzfähgikeit aktuell und in der Zukunft zu gewährleisten. Deshalb will Ministerin von der Leyen die Bundeswehr für neue Zielgruppen öffnen und Verwendungsmöglichkeiten für ältere Soldaten schaffen. Unter dem Stichwort Entwicklungsmöglichkeiten/Karriereperspektiven wird auch das Ziel formuliert, eine „bessere Potenzialausschöpfung von behinderten und schwerbehinderten Menschen“ zu erreichen.

„Das Niveau bei der Truppe darf nicht sinken“

Bei den Parteien haben von der Leyens Überlegungen zur Personalgewinnung, die zum Teil schon öffentlich vorgestellt wurden, ein unterschiedliches Echo ausgelöst. Für den SPD-Politiker Rainer Arnold hat von der Leyens Maßnahmepaket insgesamt Hand und Fuß. Allerdings äußerte er gegenüber dieser Zeitung Zweifel, dass die Bundeswehr ihre Personalproblem lösen kann, „ohne dass das Besoldungssystem reformiert und die Tarifstruktur aufgebohrt wird“. Für Bernd Siebert, Verteidigungspolitiker der CDU, machen es die internationale Sicherheitslage und die Situation der Bundeswehr es nötig, die Truppenstärke zu vergrößern. „Wir müssen allerdings aufpassen, dass durch die Senkung der Eingangshürden die Qualität des Personals nicht leidet. Das Niveau darf dadurch nicht sinken“, ergänzt Siebert. Agnieszka Brugger, die Sicherheitspolitikerin der Grünen, ist ebenfalls skeptisch. Sicher gebe es unter Schulabbrechern und Staatsbürger aus EU-Ländern auch Kandidaten, die für den Dienst bei der Bundeswehr geeignet seien. „Solche Vorschläge wirken aber in erster Linie hilflos und offenbaren, dass die von der Verteidigungsministerin groß angekßnidgte Personalaufstockung angesichts des demographischen Wandels viel zu hoch gegriffen und unrealistisch ist“, sagte sie dieser Zeitung.