Die S-Bahn ist in der Region Stuttgart unverzichtbares Transprotmittel Foto: Michele Danze

Die Pünktlichkeit der Schnellbahn hat 2013 einen neuen Tiefpunkt erreicht. In den Hauptverkehrszeiten war jede vierte Bahn mehr als drei Minuten verspätet. Reisende verpassen im eng getakteten System dadurch Anschlüsse. Die Bahn will mit höheren Investitionen in die Infrastruktur gegensteuern.

Stuttgart - Die S-Bahn bildet das Rückgrat des Nahverkehrs in der Region Stuttgart. Auf dieses Rückgrat haben sich vergangenes Jahr 117 253 000 Fahrgäste verlassen, 4,7 Millionen mehr als im Vorjahr. Etliche wurden enttäuscht.

Hans-Albrecht Krause, Geschäftsführer und Sprecher der S-Bahn-Stuttgart, räumte am Donnerstag bei einer Pressekonferenz ein, dass in der Hauptverkehrszeit nur noch knapp drei Viertel der Züge pünktlich ans Ziel kamen. Das ist der schlechteste Wert seit 2004. Seitdem wird die Pünktlichkeit dokumentiert und seitdem erhält der Verband Region Stuttgart (VRS) Strafzahlungen von der DB für verspätete Züge.

Pünktlich heißt, dass die Stationen mit weniger als drei Minuten Verspätung erreicht werden. Das schafften noch 74,2 Prozent der Bahnen. Weniger als sechs Minuten verspätet waren in der Rushhour (6 bis 9 und 15.30 bis 19 Uhr) 92,5 Prozent. Beide Werte sind weit entfernt von den vereinbarten Zielen. Erreicht werden müssen 91,5 (bis drei Minuten verspätet) und 98 Prozent (bis sechs Minuten). Auch die Tagesdurchschnittswerte sackten gegenüber 2012 weiter ab und markierten 2013 einen neuen Tiefststand.

Krause räumte auch ein, dass „jeden Tag mehr oder weniger die gleichen Fahrgäste betroffen sein dürften, die ihre Anschlussverkehre wegen der Verspätung nicht mehr erreichen“. Das System Bahn ist insgesamt auf geringe Umstiegszeiten ausgelegt. Bei einer Verspätung von mehr als vier Minuten verpasse die Hälfte der Fahrgäste ihren Anschluss, sagte Krause: „Wir sind nicht zufrieden.“ Von den Fahrgästen wird einzig die Sicherheit besser (Schulnote 2,0) als im Vorjahr (2,1) bewertet.

Die Pünktlichkeit der sechs S-Bahn-Linien ist unterschiedlich schlecht. Das Schlusslicht trägt die S 2 (Schorndorf-Filderstadt) mit 71,3 Prozent, auf dem vorletzten Platz liegt die S 3 (Backnang-Flughafen) mit 72,5 Prozent. Über dem Schnitt liegen S 4 (Backnang-Schwabstraße) mit 75,7 und S 6 (Weil der Stadt-Schwabstraße) mit 75,8 Prozent. Die Zahlen sind relativ. Wer von den Verspätungen betroffen ist und den Anschluss verpasst, könne leicht 30 Minuten verlieren, sagt Matthias Lieb, der Landesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland. Er forderte am Donnerstag die „zügige Sanierung der maroden Anlagen“ und verlässliche Information im Störungsfall. Nur wenn die S-Bahn pünktlicher werde, könne sie weitere Umsteiger vom Auto gewinnen.

Die Qualität der Schnellbahn bleibe „deutlich hinter den vertraglichen Vorgaben zurück“, sagte Jürgen Wurmthaler. Er ist Wirtschaftsdirektor beim Verband Region Stuttgart (VRS). Der VRS bestellt und bezahlt den S-Bahn-Betrieb. Für 2013 erwartet Wurmthaler wegen der Verspätungen eine Strafzahlung von einer Million Euro. Über den Betrag werde noch verhandelt. 2013 fielen auch so viele Zugkilometer aus wie noch nie. Von rund zehn Millionen Kilometern konnten 148 165 Kilometer (rund 1,5 Prozent) wegen Fahrzeugausfälle und maroder Infrastruktur nicht gefahren werden. Das ist fast der vierfache Erdumfang.

DB Regio und VRS wollen der Misere gemeinsam begegnen. So werde die Netzgesellschaft der Bahn 2014 erstmals in „präventive Instandhaltung investieren“, sagte Krause. Also Technikteile tauschen, bevor sie kaputt gehen und den Systemausfall provozieren. Das Programm „Jede Sekunde zählt“ laufe weiter. Dazu zählen zum Beispiel Bildschirme in den Stationen Hauptbahnhof und Stadtmitte, die den Zugführern erlauben, künftig alle Türen zentral zu schließen. Da soll die Haltezeit an diesen sehr stark genutzten Stationen verkürzen.

Bis zum Herbst will die DB Regio alle 87 neuen S-Bahnendes Typs ET 430 auf der Strecke haben. Das Baumuster sei, nachdem die störanfälligen Schiebetritte (zur Überbrückung des Spalts zwischen Zug und Bahnstieg) abgeschaltet seien, „unauffällig“, so Krause. Bis 2016 will die Bahn außerdem alle Fahrzeuge des Vorgängertyps ET 429 aufgefrischt haben. Erst wenn alle neuen ET 430 fahren, könne der Verband die versprochenen zwei Millionen Euro pro Jahr für längere Züge einsetzen, so Wurmthaler. Das soll Entlastung im Berufsverkehr bringen.

2013 habe es 60 Prozent mehr Ausfälle wegen Störungen im Netz gegeben, so Wurmthaler. Das Schienennetz in der Region werde aber von allen Zuggattungen genutzt. Er sei daher erfreut, dass sich das Land „klar zu einer Verbesserung der Infrastruktur bekannt habe“. die S-Bahn sei „im Grund seit Jahrzehnten auf eiern zweispurigen Autobahn unterwegs“, zog Krause einen Vergleich. Der Zugverkehr habe zugenommen, ohne dass Spuren wie auf der Autobahn dazugekommen seien.

Ein Ausbau der Infrastruktur zum Beispiel durch einen weiteren Bahnsteig im S-Bahn-Tunnel in der City sei „illusorisch, solange wir hier andere Baustellen haben “, so Wurmthaler. Die Fahrgäste dürften „keine Wunder erwarten“. Die Rückkehr zu früheren Pünktlichkeitswerten kann dauern.