Rot ist Rot – doch nicht immer wird die Ampel wirklich beachtet. Foto: dpa

Bei jedem dritten Vorfahrtsunfall in Stuttgart ist eine rote Ampel nicht beachtet worden. Die Stadt will Rotlichtsünder daher mit neuartigen mobilen Blitzern erwischen. Doch das System hat seine Kinderkrankheiten.

Stuttgart - Zwei Schwerverletzte und 10 000 Euro Schaden – die Karambolage in der Heilbronner Straße in Feuerbach Anfang November ist der jüngste schwere Unfall, bei dem eine rote Ampel nicht beachtet wurde. Ein 20-jähriger Motorradfahrer, mit einem gleichaltrigen Sozius unterwegs, war bei Rotlicht mit einem Mercedes-Fahrer zusammengestoßen. Hatte er die Ampel übersehen? Hatte er geglaubt, dass es noch reichen würde?

Die bisherige Verkehrsüberwachung in Stuttgart reicht jedenfalls nicht aus, um Rotlichtfahrten gezielt einzudämmen. Davon ist Joachim Elser, der Chef der Verkehrsüberwacher im Amt für öffentliche Ordnung, überzeugt. Die Stellen, an denen solche Verstöße automatisch registriert werden, lassen sich sozusagen an einer Hand abzählen. „Dabei gibt es so viele Fußgängerfurten vor Schulen und so viele Situationen, bei denen Autofahrer bei Rot durchrauschen“, sagt Elser.

Deshalb setzt die Stadt nun auf ein revolutionäres System, das es so in Deutschland noch nicht gibt: Die mobile Rotlichtüberwachung. Blitzer, die zeitlich und örtlich flexibel an erkannten Brennpunkten aufgestellt werden. Das Pilotprojekt wird von Elsers Leuten seit Sommer getestet.

Das Wundersystem besteht aus einer Messkamera, einer Identifizierungskamera und einem Sensor, der die digitale Bildaufzeichnung startet. Ein mobiler Computer wertet die Daten aus und speichert sie ab. Alles verpackt und transportabel in einem anthrazitfarbenen Mercedes-Transporter. Und natürlich alles gerichtssicher.

Doch seit Sommer herrscht Funkstille. Das System einer Leipziger Firma mit der Bezeichnung Dako-RM 2 arbeitet noch nicht fehlerfrei. Noch immer wird der Erlkönig auf einem Verkehrsübungsplatz ausprobiert, wird nachgebessert und nachgerüstet. „Die Praxis hat halt ihre eigenen Gesetze“, sagt Joachim Elser.

Immerhin: Seiner Ansicht nach funktioniert alles nun „zu 90 Prozent“, die jüngsten Test seien sehr zufriedenstellend. „Unser Ziel ist es, mit der mobilen Rotlichtüberwachung Ende dieses Jahres in den Echtbetrieb zu gehen“, so Elser. Dann müssten unter anderem all jene Autofahrer zittern, die beispielsweise an der Einmündung Kräherwald und Gaußstraße im Stuttgarter Westen notorisch bei Rot nach rechts abbiegen.

Freilich hat das Dako-System ein Manko – wie übrigens auch die mobilen Tempoblitzer: Die Daten werden über Kabel übertragen. „Der Transfer muss eben so sicher sein, dass Fremdeinwirkung ausgeschlossen ist“, sagt Elser. Dies schränkt jedoch die Einsatzorte erheblich ein, weil die Kabel nicht einfach über die Fahrbahn gelegt werden können. Somit kann nicht überall dort geblitzt werden, wo es von den Unfallzahlen her nötig wäre. Bei der Polizei wird das Kabelproblem bei der Tempomessung hinter vorgehaltener Hand beklagt. Die städtischen Verkehrsüberwacher werden ebenfalls damit umgehen müssen.

Große Kreuzungen können also nicht mit dem mobilen Ampelblitzer überwacht werden – etwa der Verkehrsknoten beim Arnulf-Klett-Platz, wo es immer wieder zu Zusammenstößen kommt. „Am häufigsten kracht es an den großen übersichtlichen Kreuzungen, wo jeder noch denkt, er könnte schnell drüber“, sagt Polizeisprecher Tobias Tomaszewski. Im vergangenen Jahr gab es insgesamt 85 Unfälle mit Verletzten durch Rotlichtverstöße. Damit ereignete sich jeder dritte der 284 Vorfahrtsunfälle mit Verletzten wegen einer missachteten Ampel.

Die Polizei macht ebenfalls Jagd auf Rotlichtsünder – ohne Hightech, mit geübtem Auge. Am Dienstag wurden im Bereich Prag- und Wilhelmastraße sieben Autofahrer erwischt. Bei zwei Aktionen davor waren es sogar 34. Weil die Polizisten die Sünder anschließend rauswinken, wird noch mehr zutage gefördert: Ein Fahrer war ohne gültige Fahrerlaubnis unterwegs.