Der erste Unfalltod 2016: Fußgänger unterschätzen oft die Gefahren an Gleisüberwegen – wie hier in der Schlossstraße. Foto: 7aktuell.de/Reichert

Die Zahl der Todesopfer im Straßenverkehr ist in der Region deutlich gestiegen – ganz gegen den Landestrend. Und die Fußgänger bereiten der Stuttgarter Polizei ganz besondere Sorge.

Stuttgart - Und wieder ist es ein Gleisüberweg einer Stadtbahn, an dem Notärzte um das Leben eines Fußgängers kämpfen müssen. Ein 71-Jähriger ist an der Haltestelle Dobelstraße gegen eine Stadtbahn gelaufen und lebensgefährlich verletzt worden. Am selben Tag übersieht ein 14-Jähriger in der Nordbahnhofstraße eine Stadtbahn – er kommt aber noch glimpflich davon. Dies sind zwei der jüngsten Fußgängerunfälle der vergangenen Tage – typische Fälle, die deutlich machen, wo Passanten in Stuttgart derzeit besonders gefährdet sind.

Eine alarmierende Bilanz: Von acht Unfalltoten in Stuttgart im Jahr 2016 waren fünf zu Fuß unterwegs. Das ist mehr als die Hälfte – und verglichen mit der Region eine überproportional hohe Quote. „Wir haben hier viele unterschiedliche Verkehrsmittel, breite Straßenschneisen, große Verkehrsanlagen und Schienenverkehr“, heißt es bei der Verkehrspolizeidirektion. Doch in den umliegenden Landkreisen ist jeweils höchstens ein Passant bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen – obwohl es auch dort große Städte gibt.

Was lässt sich an Gleisüberwegen noch verbessern?

„Das Problem dabei ist, dass man Fußgängerunfällen nur schwer vorbeugen kann“, sagt Polizeisprecher Tobias Tomaszewski. Bauliche Veränderungen, Tempolimits, Kontrollaktionen – bei Fußgängern laufen solche Maßnahmen ins Leere. Allenfalls an Gleisüberwegen der Stadtbahn wären Veränderungen denkbar – doch hier glauben die Verkehrsexperten schon alles ausgereizt zu haben: Mit gelben Blinklichtern, die vor herannahenden Stadtbahnen warnen, mit z-förmigen Überwegen, die den Blick des Passanten auf die entgegenkommende Bahn richten sollen. Doch was nützt das, wenn viele vor allem auf ihr Handy starren oder mit Kopfhörern und Musik im Ohr keine Warnsignale wahrnehmen?

Der erste Unfalltote des Jahres 2016 war ein 55-jähriger Fußgänger, der am 10. Mai unachtsam und stark schwankend die Schlossstraße in der Innenstadt überquerte. Dabei lief er auf den Gleisen gegen eine Stadtbahn der Linie U14 und erlitt tödliche Verletzungen. Bei der letzten Unfalltoten des Jahres handelte es sich um eine 68-Jährige, die am 13. Dezember auf freier Strecke die Hedelfinger Straße in Hedelfingen überquerte und dabei von einer Stadtbahn der Linie U 9 erfasst wurde.

Erstmals Unfalltod mit E-Bike in Stuttgart

Ebenfalls zu Fuß war eine 14-Jährige unterwegs, die im Mai an einer offenbar roten Fußgängerampel über die Kappelbergstraße in Untertürkheim gehen wollte. Sie wurde von einem 89-jährigen Autofahrer angefahren und erlitt tödliche Verletzungen. Im Juni lief ein 39-Jähriger bei Rot über die Daimlerstraße in Bad Cannstatt – und geriet unter die Räder eines Renault-Fahrers. Unaufmerksam unterwegs soll auch ein 78-jähriger Passant gewesen sein, als er an einem Novemberabend die Plieninger Straße in Möhringen zu überqueren versuchte – ein Audi-Fahrer konnte nicht mehr bremsen.

Zu den Unfalltoten zählt erstmals auch ein E-Bike-Fahrer. Der 80-Jährige war im Juni in der Landauer Straße in Weilimdorf im Kreisverkehr unterwegs, als er im Regen von einem Autofahrer übersehen wurde. Zwei Autofahrer, jeweils 56 Jahre alt, starben im August und September bei Kollisionen in Bad Cannstatt und Feuerbach.

Landesweit so wenig Unfalltote wie noch nie

Sorgen gibt es auch in den Landkreisen – denn auf den Straßen der Region hat sich die Zahl der Unfalltoten deutlich erhöht – von 42 auf 57 Opfer. Das ist mehr als ein Drittel mehr als im Vorjahr. Und entspricht ganz und gar nicht dem Trend im Land. Denn in Baden-Württemberg gab es mit 405 Verkehrstoten so wenige wie seit 1953 nicht. Im Jahr 2015 waren es noch 483 gewesen.

Genaueres will das Innenministerium nicht verraten – man will in dieser Woche erst noch die Verkehrsunfallstatistik vorstellen. Bestätigt wird aber, dass die Zahl der tödlich verunglückten Motorradfahrer deutlich gesunken ist. „Das dürfte auch an der schlechteren Witterung gelegen haben“, sagt Sprecher Renato Gigliotti, „da waren weniger Motorradfahrer unterwegs.“

Am auffälligsten ist der Negativtrend in den Kreisen Esslingen und Göppingen. Dort kamen vor allem Autoinsassen ums Leben. In Stuttgart gibt es in diesem Jahr wieder die ersten Opfer. Zuletzt starb ein 68-Jähriger Ende Januar in der Albert-Schäffle-Straße im Stuttgarter Osten. Der Mann, von einem Auto tödlich verletzt, war ein Fußgänger.