In der integrierten Verkehrsleitzentrale laufen alle Informationen über den Verkehr in Stuttgart zusammen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Was läuft verkehrt mit dem Verkehr? Ob mit dem Auto oder der Bahn – immer öfter kommt man nicht vorwärts in der Region Stuttgart, die in Staus zu ersticken droht. Heute: Ein Blick auf das Verkehrsmanagement der Behörden.

Stuttgart - An manchen Tagen ist’s im Auto wie an der Kasse im Supermarkt: Die Fahrer stehen in der Schlange, und es geht einfach nicht weiter. Auf der Fahrbahn daneben läuft es wenigstens, wenn auch langsam. Und jeder wartet nur auf eine günstige Gelegenheit, um die Spur zu wechseln.

„Lückenspringer verschlimmern den Stau, weil die Hintermänner dadurch abrupt abbremsen müssen“, sagt Ralf Thomas, Chef der Integrierten Verkehrsleitzentrale (IVLZ) Stuttgart, und rät zu Gelassenheit statt zu hektischem Spurwechsel.

Spurwechsel hilft bei Stau nicht weiter

Die Integrierte Verkehrsleitzentrale in Bad Cannstatt ist die am besten informierte Behörde in Sachen Verkehr. Dort beobachten jeweils ein Mitarbeiter von dem Amt für öffentliche Ordnung, dem Tiefbauamt, der Polizei und den Stuttgarter Straßenbahnen den Verkehr über mehrere Monitore – und zwar Montag bis Freitag von 6 bis 24 Uhr, samstags von 9 bis 24 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 21.45 Uhr. Dafür sind an den neuralgischen Punkten wie Tunneln, am Neckarpark oder in der Innenstadt 400 Kameras aufgestellt. In Vaihingen und Möhringen sollen demnächst weitere 15 montiert werden.

Bei Staus durch Unfälle, Baustellen, Glatteis oder Straßenverengung durch Falschparker können die Experten direkt in den Verkehr eingreifen. „Um Staus schneller aufzulösen oder um zu verhindern, dass sie sich weiter aufbauen, schalten wir Sonderprogramme auf die Ampeln und verlängern die Grünphasen“, sagt Thomas und nennt auch gleich die Auswirkungen für den Querverkehr: „Dem nehme ich damit natürlich Grün weg und erzeuge vielleicht dort einen Engpass. Deshalb müssen die Entscheidungen immer entsprechend der jeweiligen Verkehrssituation getroffen werden.“ Bei Stau wegen eines falsch geparkten Lkw werden die Experten eher in der Spedition anrufen, statt die Ampeln umzuschalten.

Außer der Ampelsteuerung wird der Verkehr in der IVLZ auch über die LED-Verkehrsinformationstafeln reguliert: Bei Großveranstaltungen wie VfB-Spielen oder dem Frühlingsfest werden Autofahrer per Leuchtschrift auf Umleitungen und Parkmöglichkeiten hingewiesen, „damit nicht alle die gleiche Strecke fahren“. Bei Unfällen leuchten Hinweise auf, die deutlich machen, dass ein Fahrstreifen blockiert und die Fahrer im Reißverschlussverfahren in den fließenden Verkehr einfädeln sollen.

Eine Fahrspur verkraftet 1800 Fahrzeuge pro Stunde

Buchstäblich nichts tun die Verkehrsexperten bei Staus durch den Berufsverkehr. Denn rund 890 000 Fahrzeuge fahren täglich in beiden Richtungen über die Stuttgarter Stadtgrenze. Im Kessel sind täglich 430 000 Fahrzeuge unterwegs. Die Strecke der Hauptverkehrsstraßen beträgt 500 Kilometer. „Das bedeutet, dass in der Hauptverkehrszeit zu viele Autos auf zu wenig Straße unterwegs sind. Weil sich die Staus in einer halben Stunde bereits wieder aufgebaut hätten, macht eine Ampelumschaltung überhaupt keinen Sinn“, stellt Thomas fest. Die Faustregel der Verkehrsexperten der IVLZ: Eine Fahrspur verkraftet pro Stunde etwa 1800 Fahrzeuge. „Aber nur theoretisch und wenn die Strecke frei ist und es keine Zwischenfälle gibt“, sagt Thomas.

Doch auch, wenn es flutscht, kann man plötzlich im Stau stehen. Der kommt quasi aus dem Nichts: Es gibt keine Baustelle, keinen Unfall, gar nichts. Da verhält es sich wie mit dem Flügelschlag des Schmetterlings in Südafrika, der in Stuttgart ein Unwetter auslösen kann: kleine Ursache, große Wirkung. „Ein Fahrfehler wie ein ungeschickter Spurwechsel kann dazu führen, dass der nachfolgende Verkehr abbremsen muss und alle ruck, zuck im Stau stehen“, sagt Ralf Thomas.

Die Verkehrssteuerungstechnik an die Hand bekommt die IVLZ vom städtischen Tiefbauamt. Dort wird die Verkehrsplanung gemacht. Und dort sammeln sich auch die Beschwerden der Bürger über zu lange Wartezeiten an den Ampeln. Im vergangenen Jahr gingen deshalb 330 gelbe Karten ein – und zwar sowohl von Fußgängern als auch Radlern und Kfz-Fahrern. „Die meisten Verkehrsteilnehmer haben das Gefühl, doppelt so lange gewartet zu haben, als es tatsächlich der Fall war“, sagt Jochen Hutt, Leiter der Abteilung Straßen und Verkehr. Er erklärt sich das damit, „dass beim Warten die Zeit eben langsamer läuft“.

In Stuttgart sind insgesamt 813 Ampelanlagen installiert

Zur Verkehrsregelung sind in Stuttgart insgesamt 813 Ampelanlagen installiert – und zwar überall dort, wo es ohne Regelung gefährlich für die Verkehrsteilnehmer würde oder der Verkehr so hoch ist, dass er sich selbst behindert. 400 Ampeln sind so geschaltet, dass Busse und Bahnen an Kreuzungen bevorrechtigt fahren dürfen. Die Wartezeiten an den Ampeln sind standardisiert. „Innerhalb von 90, höchstens 120 Sekunden muss jeder Kfz-Fahrer einmal Grün haben. Fußgänger sollten nicht länger als 60 bis 90 Sekunden warten müssen, so dass sie in einer Umlaufphase auch zweimal Grün haben können“, sagt Hutt.

Für jede Ampelanlage stehen ohne die Sonderprogramme für die IVLZ vier bis acht Programme zur Verfügung. Wie die Phasen geschaltet sind, ist von Ampel zu Ampel unterschiedlich. „Am Schöttleplatz in Heslach gehen morgens zum Beispiel viele Fußgänger mit schnellem Schritt zur Arbeit. Deshalb haben wir die Grünphasen für die Fußgänger verkürzt, schalten dafür aber häufiger Grün. Nach 9 Uhr verlängern wir die Grünphase, damit auch Rentner, die vermutlich noch nicht so sehr früh unterwegs sind, Zeit haben, über die Straße zu kommen“, erläutert Hutt das Prinzip.

Damit Autofahrer nicht unnötig lange an Ampeln stehen, gibt es 72 grüne Wellen in Stuttgart. „Die funktionieren allerdings nur bei einer Straßenauslastung von bis zu 80 Prozent und wenn sich die Fahrer an die Richtgeschwindigkeiten halten.“ Sind die Knotenpunkte zu weit voneinander entfernt, müssen die Fahrer ebenfalls damit rechnen, ausgebremst zu werden. Um bei Rot an der Ampel zu stehen, reicht ein Kilometer pro Stunde mehr oder weniger auf dem Tacho. „Nachts werden die Ampeln wo es möglich ist, ausgeschaltet. Dann hat der Fußgänger, wenn er drückt, schneller Grün“ so Hutt .

Ob eine Ampelanlage gebaut werden muss oder abgebaut werden kann, ergibt sich aus Verkehrszählungen und Videoaufnahmen. Staus durch den Bau von Straßen abzubauen, das geht laut der Verkehrsplaner nicht, weil im Kessel die Fläche dafür fehlt und der Ausbau in der Innenstadt einen Flaschenhalseffekt nach sich ziehen würde: „Der Verkehr, der von außen kommt, könnte dann nicht mehr abfließen“, sagt Thomas. Außerdem würde ein Ausbau des Straßennetzes zu noch mehr Verkehr führen, weil dann das Autofahren attraktiver wäre, so dass sich im Endeffekt nichts ändern würde.