Tödlicher Unfall auf der A 96 bei Leutkirch Anfang des vergangenen Jahres Foto: dpa

Die Landesregierung schlägt Alarm. Um die Verkehrssicherheit zu verbessern, besteht nach Angaben von Staatssekretärin Gisela Splett (Grüne) „dringender Handlungsbedarf“.

stuttgart - Andreas Schwarz ist der grüne Verkehrsexperte im Landtag. Er sagt: „Die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten wird regelmäßig – zum Beispiel im Vergleich zu Gewaltopfern – deutlich unterschätzt.“ Beispiel: Während es pro Jahr bundesweit zuletzt etwas mehr als 2000 Opfer wegen Mord und Totschlag gab, kommen auf den deutschen Straßen pro Jahr fast doppelt so viele Menschen ums Leben. Schwarz will nun die Landesregierung in die Pflicht nehmen. „Eine moderne Gesellschaft muss den Anspruch haben, das Unfallrisiko im Verkehrsbereich zu minimieren“. Insbesondere der Schutz „schwächerer Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer und Fußgänger muss erhöht werden“, fordert er. In einem parlamentarischen Antrag wollte er deshalb von der grün-roten Regierung wissen, „welche Maßnahmen sie bereits eingeleitet hat und in den kommenden Jahren plant“

Aus Gisela Spletts Antwort – die unserer Zeitung vorliegt – geht zwar hervor, dass es seit 2002 einen deutlichen Rückgang in Baden-Württemberg bei den verunglückten Verkehrsteilnehmern gibt. Kamen 2002 noch 895 Menschen im Straßenverkehr ums Leben, so waren es 2012 „nur“ 471. Auch bei den Verunglückten insgesamt ist ein Rückgang seit 2002 um mehr als 10 000 auf 47 088 Opfer zu verzeichnen. Allerdings gilt dies nicht für Radfahrer. Hier wurde in den vergangenen zehn Jahren ein Anstieg der Zahl der Schwerverletzten um plus sieben Prozent verzeichnet. Ebenfalls erschreckend: Jeder vierte im Straßenverkehr tödlich verunglückte Verkehrsteilnehmer ist inzwischen im Seniorenalter (ab 65 Jahre). Splett: „Insbesondere als Fußgänger und Radfahrer sind Senioren einem relativ hohen Unfall- und Verletzungsrisiko ausgesetzt!“ Eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Innenministeriums soll nun Maßnahmen für eine bessere Vorbeugung erarbeiten. Die Gruppe tagte erstmals am 17. Juli.

Splett wies zudem darauf hin, dass das Verkehrsministerium zusammen mit dem Innenministerium „ein ambitioniertes Verkehrssicherheitskonzept für das Land aufgestellt hat“. Ziel sei es, die Zahl der Unfalltoten bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren. Ausgangsbasis ist das Jahr 2010. Damals gab es 494 Verkehrstote im Südwesten.

Tempo 50: Nur drei von zehn Fußgängern überleben Kollision mit Pkw

Als eines der wirkungsvollsten Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, sieht Splett schärfere Tempolimits. Im Fokus hat sie vor allem die Landesstraßen und die Straßen in den Städten. Die Landesstraßen sind die gefährlichsten Straßen überhaupt. Etwa 60 Prozent aller tödlichen Unfälle ereignen sich hier. Hauptunfallursache: Nicht angepasste oder überhöhte Geschwindigkeit. Splett: „Durch eine Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit wäre von einem deutlichen Rückgang der tödlich verunglückten und schwerverletzten Verkehrsteilnehmer auf Landesstraßen auszugehen.“ Momentan sind hier 100 km/h erlaubt.

Auch innerorts stelle „die Senkung des Geschwindigkeitsniveaus eine wirksame Maßnahme“ insbesondere zum Schutz von Fußgängern und Radfahrern dar. Eine Untersuchung der Schweizer Beratungsstelle für Unfallverhütung ergab: Bei Tempo 50 überleben drei von zehn Fußgängern eine Kollision mit einem Pkw. Darf nur 30 km/h gefahren werden, sind es neun von zehn.

Ein weiterer Baustein, auf den die Landesregierung setzen will, ist der Ausbau von gefährlichen Straßen auf drei Fahrstreifen. Hier soll abschnittsweise in einer Fahrtrichtung eine Überholspur für mehr Sicherheit sorgen. Bereits Ende 2012 hatte das Land dem Bundesverkehrsministerium vorgeschlagen, dreistreifige Bundesstraßen zur Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans 2015 anmelden zu dürfen. Ob Berlin grünes Licht gibt, ist jedoch offen.

Dafür könnte Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bei den Landesstraßen selbst aktiv werden. Denn am 18. Juni erst wurden die neuen Richtlinien für die Anlage von Landesstraßen (RAL) von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen vorgestellt. Die RAL bildet künftig die Grundlage für alle Planungen für den Neubau oder den Um- und Ausbau von Landesstraßen. Dort heißt es: „Da auch Überregionalstraßen oft noch mit hohen Verkehrsstärken belastet sind, sollen diese in regelmäßigen Abständen dreistreifige Abschnitte aufweisen und dadurch Überholvorgänge in den zweitstreifigen Abschnitten soweit wie möglich vermieden werden.“ Hermann muss nun die neue Richtlinie umsetzen und dafür Geld in seinem Etat freischaufeln.