Die Auseinandersetzung um das Milliarden-Bahnprojekt Stuttgart 21 beschäftigt am Mittwoch erneut den Bundestag. Foto: dpa

Im Verkehrsausschuss des Bundestags streiten Experten über die Kosten eines Baustopps.

Berlin - Dreieinhalb Stunden debattierte der Verkehrsausschuss des Bundestags am Mittwoch über S 21. Neue Argumente wurden auf der Berliner Bühne nicht ausgetauscht. Heute will Bundesverkehrsminister Ramsauer neue Daten zur Wirtschaftlichkeit der Schnellbahnstrecke Ulm-Wendlingen vorlegen.

Es muss viel klargestellt werden an diesem Mittwoch in Berlin. Das Bundesverkehrsministerium verwahrt sich zu Beginn der Anhörung vor dem Verkehrsausschuss gegen Berichte, der Neubau der Strecke Ulm-Wendlingen sei unrentabel und stehe auf der Kippe. "Das ist falsch. Die Strecke ist wirtschaftlich", betont Staatssekretär Ernak Ferlemann. Sodann geht es in der Anhörung um drei Anträge von SPD, Linken und Grünen, die einen sofortigen Baustopp von S 21 fordern.

Alles sind sie gekommen: Projektsprecher Udo Andriof, DB-Vorstand Volker Kefer, Hannes Rockenbauch vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 und allerlei Sachverständige der Kontrahenten. Nur Walter Sittler fehlt - entschuldigt, wie er gegenüber unserer Zeitung beteuert, "ich war mit meinem Theaterprogramm unterwegs, konnte mich dabei von den Anfeindungen unter der Gürtellinie seitens der CDU erholen und melde mich fit zurück".

Etwa 80 Zuschauer haben auf der Besucherempore zur öffentlichen Anhörung Platz genommen. Der Ausschussvorsitzende Winfried Hermann, ein Grüner und vehementer Gegner des Projekts, ist Profi genug, seine innere Haltung dem Amt zu opfern, und führt souverän durch die Sitzung. Augenzwinkernd nimmt er den Gästen das Versprechen ab, auf Schwabenstreiche, Pfiffe oder La-Ola-Wellen zu verzichten, und erteilt zunächst Udo Andriof das Wort. Der warnt auch in diesem Plenum davor, "Entscheidungen über wichtige Infrastrukturvorhaben von der Stärke von Protesten abhängig zu machen. Die Sitzblockade ist nicht die letzte Instanz." Die Bürger seien im Planungsverfahren beteiligt worden und das Milliardenprojekt rechtlich wie politisch legitimiert.

Ihm zur Seite springt der Sachverständige Werner Rothengatter, Professor am Karlsruher Institut für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung. Selbst ein zeitweiliger Baustopp von einem Dreivierteljahr würde einen Verlust von rund 210 Millionen Euro einfahren. DB-Vorstand Volker Kefer beteuert, die bislang erwarteten Gesamtkosten "für die beiden Jahrhundertprojekte Bahnhof und Schnellbahntrasse in Höhe von sieben Milliarden Euro amortisieren sich in 20 bis längstens 50 Jahren".

Diese Rechnungen hält Karl-Heinz Rößler für unseriös. Der von den Grünen bestellte Sachverständige zieht vielmehr eine Kostenexplosion um die doppelte Summe ins Kalkül und plädiert mit aller Verve für die Erhaltung des Kopfbahnhofs. Der von der SPD engagierte Gutachter Christian Böttger (Hochschule Wirtschaft und Technik in Berlin) bedauert, dass wesentliche Daten zur Aufwand-Nutzen-Abwägung kaum zugänglich seien und er keine abschließende Beurteilung vornehmen könne.

Apropos Nutzen: Auch über die möglichen Kosten eines endgültigen Verzichts auf das Milliardenprojekt können die Sachverständigen auf der Berliner Bühne am Mittwoch keine Einigung erzielen. Während die Projektgegner diese erwartungsgemäß für akzeptabel halten, beziffert DB-Vorstand Kefer den Ausfall mit einer Gesamtsumme von drei Milliarden Euro. Allein 1,5 Milliarden Euro entfielen auf bestehende Planungskosten oder die Stornierung von abgeschlossenen Grundstücksverkäufen. Der Rückbau des Gleisvorfeldes koste zusätzlich 1,5 Milliarden Euro.