Sie warten nicht auf die Bahn, sondern protestieren gegen den Abbau der Haltestelle Pragfriedhof: rund zwei Dutzend Anwohner appellieren an die SSB, den Stopp zu erhalten. Foto: Eva Funke

Es ist beschlossen: Die Stadtbahn-Station Pragfriedhof kommt weg. Damit wollen sich die Anwohner nicht abfinden.

S-Nord - Der Bezirksbeirat-Nord hat sich vehement gewehrt, doch es nutzte nichts: „Die Katz’ ist den Baum rauf“, konstatierte Bezirksvorsteherin Sabine Mezger jüngst. Mitte Dezember bauen die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) die Haltestelle für die Stadtbahnlinie U 12 Pragfriedhof an der Friedhofstraße ab.

Bislang fährt die Stadtbahn vom Hallschlag über den Pragfriedhof nach Dürrlewang. Künftig geht die Linie bis Remseck. Der Halt Pragfriedhof wird durch die Haltestelle Budapester Platz ersetzt. Das Ergebnis ist, dass sich die Anwohner im Bereich Friedhofstraße vom öffentlichen Personennahverkehr abgehängt fühlen. Entsprechend groß ist ihre Empörung: Gut zwei Dutzend Anwohner im Alter von 26 bis 86, die an der Friedhofstraße in die U 12 einsteigen, haben sich spontan zum Protest an ihrer Haltestelle getroffen. Viele der älteren Anwohner gehen am Stock, sind trotzdem gekommen, um für ihre Haltestelle zu kämpfen.

Der Abbau der Haltestelle bedeutet, dass sie künftig zur Haltestelle Milchhof müssen. Die ist gut einen halben Kilometer vom Stop in der Friedhofstraße entfernt. Oder sie müssen in die entgegengesetzte Richtung zur in etwa gleichweit entfernten Haltestelle Eckartshaldenweg. Dort steigen nach Schulschluss viele der rund 800 Schüler aus den drei umliegenden Berufsschulen ein. Vor allem ältere Menschen haben Angst in dem Geschiebe und Gedränge zu stürzen oder abgedrängt zu werden.

„Der Pragfriedhof ist ein Hauptfriedhof. Es ist ein Unding, dass es dort keine Haltestelle mehr geben soll“, sagt Irma Land. Die 86- jährige Rentnerin weist darauf hin, dass einige ihrer Bekannten Gräber direkt am Haupteingang des Friedhofs gekauft haben, damit sie an der Haltestelle aussteigen können und in wenigen Schritten am Grab ihrer Verstorbenen sind. „Friedhofsbesucher sind in der Regel nicht junge, sondern ältere Menschen. Und die sind oft nicht mehr so gut zu Fuß“, sagt sie und hält den Abbau für eine Missachtung der Bürger.

SSB: Haltestelle sei nur als Provisorium gedacht gewesen

Barbara Hörner (62) kritisiert, dass mit Wegfall der Haltestelle gehbehinderte Menschen kaum noch die Möglichkeit haben, in die Stadt zu kommen. „Wenn sie’s bis zur Haltestelle Pragfriedhof schaffen, heißt dass nicht, dass sie auch eine halben Kilometer weiter können“, stellt sie fest und weist darauf hin, dass der Schulweg für die Grundschüler gefährlicher wird, weil die an der stark befahrenen Heilbronner Straße lang müssen. Petra Reichelt, ehrenamtlich in der Secondhand Boutique Praga der Caritas in der Friedhofstraße engagiert, ist überzeugt, dass mit der Haltestelle auch die Kleiderspenden für die Boutique wegfallen, da die meisten Spender mit der Bahn kommen. Und Susanne Hattich, Mitarbeiterin eines Blumengeschäfts an der Haltestelle, sorgt sich ebenfalls, dass die Kundschaft ausbleibt. „Die steigt dann am Eckarthaldenweg aus und nimmt den Friedhofseingang dort.“

Die SSB rechtfertigen den Abbau der Haltestelle damit, dass sie nur als Provisorium gedacht war, an der die künftig 80 statt 40 Meter langen Züge nicht mehr halten können. Der Vorstoß des Bezirksbeirats, wenigstens jede zweite Stadtbahn der Linie U 15 wieder die alte Strecke über den Nordbahnhof fahren zu lassen und damit auch wieder die Haltestelle Pragfriedhof zu bedienen, kommt für die aus SSB aus zwei Gründen nicht in Frage. Zum einen würde das für die Fahrgäste aus Stammheim und Zuffenhausen eine zusätzliche Fahrtzeit von ein paar Minuten mehr oder lästige Umsteigerei bedeuten. Und außerdem müssten die Gleise und die Weichen gewartet werden. „Das bedeutet zusätzlich enorme Kosten. Außerdem müssen wir als öffentlicher Personennahverkehr die Interessen der Mehrheit der Fahrgäste im Blick haben“, sagt SSB-Sprecherin Birte Schaper. Wie viel der Bau und Abbau der Haltestelle gekostet hat? Die Antwort blieb offen.

Die Anwohner wollen derweil noch nicht resignieren. Sie fordern: „Wenn die Katz’ den Baum rauf ist, muss man sie runterholen, notfalls mit der Feuerwehr.“