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SPD will Gleisanlagen, statt mit Schotter zu befüllen, künftig mit Rasen bepflanzen. Die Landesregierung bezweifelt den Nutzen.

Stuttgart/Freiburg - Wer in Baden-Württemberg mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, wird, wenn sich der Wunsch der SPD erfüllt, statt grauer Monotonie schon bald sein grünes Wunder erleben. Die SPD hat in einem Antrag an die Landesregierung vorgeschlagen, künftig den Bau von Gleisen, deren Bett mit Gras bepflanzt ist, zu fördern. Begrünte Gleise könnten den Lärm, den die Bahnen beim Fahren verursachen, um einige Dezibel vermindern, das Stadtklima verbessern und Feinstaub binden, argumentieren die Sozialdemokraten.

Man fordere ja nicht, alle alten Gleisanlagen für viel Geld herauszureißen und überall neue Rasengleise zu bauen, erläutert Nils Opitz-Leifheit, parlamentarischer Berater der Fraktion in umweltpolitischen Fragen. Vielmehr gehe es darum, neu gebaute Gleise von Anfang an zu begrünen oder zumindest zu prüfen, ob eine Begrünung sinnvoll wäre. Die Landesregierung sei schließlich für den Lärmschutz verantwortlich. Zudem sei die Begrünung nur eine Maßnahme von vielen, mit denen man der Feinstaub- und Lärmbelastung in Ballungsräumen und Städten entgegenwirken will.

Weder dem Land noch den befragten Straßenbahnunternehmen lägen wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirksamkeit vor, kontert die Regierung. Die Bindung von Feinstaub und anderen Schadstoffen sei nicht mit Zahlen belegbar, heißt es im Antwortschreiben der CDU-geführten Ministerien Inneres und Umwelt. Allerdings räumen sie ein, dass Erfahrungen mit anderen Grünflächen die Vermutung nahelegen, dass das Grün zwischen den Schienen das Mikroklima positiv beeinflussen und als Schadstofffilter dienen könnte. An der lärmmindernden Wirkung zweifelt man jedoch. Diese trete nur in bestimmten Fällen ein, nämlich dann, wenn das Gras bis zur Schienenkante reicht. Dann allerdings sei im Vergleich zu gepflasterten oder asphaltierten Gleiskörpern eine lärmreduzierende Wirkung von bis zu sieben Dezibel möglich.

Den Vorbehalt, es gäbe keine ausreichenden Belege für die Vorteile von Rasengleisen, will Opitz-Leifheit nicht gelten lassen: "Die Regierung ist immer schnell bei der Hand zu unterstellen, es gäbe keine Beweise", meint er. Belege für die Wirkung der Rasengleise fänden sich sehr wohl - etwa in Fachzeitschriften und in Veröffentlichungen des Umweltbundesamts. "Sie bringen was", bekräftigt Opitz-Leifheit und verweist darauf, dass die grünen Gleise in vielen Nachbarländern schon fest zum Stadtbild gehören.

Auch in Freiburg sind grüne Gleise längst kein ungewohnter Anblick mehr. Seit 1983 gleiten viele Straßenbahnen auf einem sattgrünen Teppich durch die Stadt. "Etwa 46 Prozent unserer Anlagen sind begrünt", berichtet Hans Bogel von der Freiburger Verkehrs-AG. Von der lärmreduzierenden Wirkung ist man im Breisgau überzeugt. Das Gras zwischen den Schienen breche den Schall, statt ihn zu reflektieren, erklärt Bogel. Dadurch wird es leiser. Es gab in Freiburg sogar schon Bürgerbegehren für mehr Begrünungen.

Den möglichen Vorteilen der Rasengleise für Mensch und Umwelt, darin sind sich die von der Regierung befragten Straßenbahnunternehmen einig, stehen zumeist erheblich höhere Kosten für Herstellung und Unterhalt gegenüber. "Veraltet", findet der Freiburger Bogel dieses Argument. "Beim Kostenvergleich wird immer noch an die alten Schotterbahnen gedacht", meint er. Diese seien in der Tat günstiger als Rasengleise, jedoch längst nicht mehr zeitgemäß und würden kaum noch verbaut. Im Vergleich zu den Baukosten der heute gebräuchlichen gepflasterten oder asphaltierten Bahnkörper sei der Rasenbahnkörper "unschlagbar günstig". Auch das Argument der höheren Unterhaltkosten lässt Bogel nur bedingt gelten. Es gebe natürlich komplizierte und somit teuere Bauweisen für Rasenbahnkörper - die in Freiburg angewandte Bauweise sei jedoch günstiger als Pflaster oder Asphalt. "Das Gras kann bei uns mit einem einfachen Rasenmäher gemäht werden", erklärt Bogel. Für die etwa 110 000 Quadratmeter große Fläche fielen im Jahr lediglich 66 000 Euro an Unterhaltkosten an.

"Die Rasengleise sind kein Allheilmittel, sie bringen oft nicht das, was man sich von ihnen verspricht", findet dagegen Ulrich Deinhardt, der Infrastruktur-Chef der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB). Feinstaub werde dadurch keiner gebunden - und auch die lärmreduzierende Wirkung treffe nur unter bestimmten Voraussetzungen zu. Allerdings biete eine begrünte Gleisanlage optische Vorteile, und auch die von der Landesregierung angeführten hohen Kosten entstünden nicht in allen Fällen. Man müsse es nur von Anfang an so planen.