Der Fluglärm-Streit geht in eine neue Runde. Foto: dpa

Im Fluglärm-Streit erhöht Baden-Württemberg mit neuem Gremium Druck auf Schweiz

Stuttgart/Zürich - Der Himmel über Europa ist grenzenlos, nicht aber zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz. Seit Jahren streiten die Nachbarn um die Belastung durch den Fluglärm. Nun wird ein neuer Vermittlungsversuch unternommen.

Wer im Schwarzwald oder in den Regionen Waldshut, Konstanz und Tuttlingen spazieren geht, sollte sich nicht wundern, wenn die ländliche Idylle plötzlich jäh gestört wird. Es könnte sein, dass es laut wird, weil ein Flugzeug zum Landeanflug auf den Airport Zürich ansetzt. Die Problematik an sich ist nicht neu, die Beschwerden der Bewohner über den Fluglärm füllen inzwischen meterweise Aktenordner. Zwar hat Deutschland im Jahr 2003 einseitige Beschränkungen erlassen - von 21 bis 7 Uhr ist der Anflug über Baden-Württemberg nach Zürich verboten -, aber die Schweiz hat das nie akzeptiert und wiederholt dagegen gekämpft. Erst im Herbst 2010 mussten die Eidgenossen beim EU-Gericht in Luxemburg erneut eine Schlappe hinnehmen, die Richter sahen das deutsche Nachtflugverbot als rechtens an.

Das Problem ist damit aber nicht wirklich gelöst. Die Fronten sind verhärtet, nicht mal eine vor Jahren mit großen Erwartungen eingesetzte politische Arbeitsgruppe zwischen Berlin und Bern konnte den Streit um den Fluglärm bisher lösen. Deshalb ergreift die Region nun die Eigeninitiative, unterstützt von Landesumweltministerin Tanja Gönner (CDU). In Waldshut konstituierte sich jetzt ein sogenannter Fluglärm-Beirat. Die Idee geht auf eine Initiative des CDU-Landtagsabgeordneten und Tuttlinger Landrats Guido Wolf zurück, der bereits vor Jahren die Einrichtung einer Fluglärmkommission forderte, um die leidige Problematik zu klären. Aber die Idee scheiterte, weil für eine solche Institution ein Staatsvertrag mit der Schweiz erforderlich wäre. Und den gibt es nicht.

Festgefahrener Streit

Deshalb soll nun auf anderem Weg endlich Bewegung in den festgefahrenen Streit kommen. "Die jahrelange Hängepartie muss ein Ende haben. Wir wollen, dass das Dickicht gelichtet wird", so Wolf gegenüber unserer Zeitung. Die Ausgangslage: Derzeit gibt es jährlich rund 120000 Flugbewegungen über deutschem Gebiet Richtung Zürich-Kloten; mehrfach hatte die deutsche Seite gefordert, diese Zahl auf maximal 80000 zu begrenzen. Ohne Erfolg. Der Grund: Die Schweiz will ihren eigenen Bürgern rund um Zürich so wenig Fluglärm wie nötig zumuten und fliegt deshalb über Süddeutschland an. Umstritten ist auch, warum es über dem Schwarzwald den sogenannten Warteraum Rilax gibt, in dem Maschinen ihre Kreise drehen, bis sie in Kloten landen können. "Damit soll nur die Region Zürich entlastet werden", ist Wolf verärgert.

Der Beirat unter Führung von Bernhard Bauer, Amtschef im Stuttgarter Umweltministerium, hat deshalb jetzt einen umfangreichen Fragenkatalog zusammengestellt, der mit der Deutschen Flugsicherung in Langen bei Frankfurt und der Schweizer Flugsicherung Skyguide in Zürich abgearbeitet werden soll. "Es geht uns darum, dass die Anzahl der Flüge, alle Flugrouten, die Anflughöhen und weitere Details detailliert aufgelistet werden", sagt Wolf im Namen der anderen Landräte aus der Region, der Bürgerinitiativen sowie der Vertreter der Industrie- und Handelskammern.

Mitte April will sich der Beirat erneut treffen, bis dahin sollen erste Teile des Faktenchecks vorliegen. "Wir brauchen Transparenz in dieser schwierigen Materie", umreißt Wolf die Erwartung. Zwar sei es unbestritten, dass der Airport Zürich-Kloten - nur 15 Kilometer von der baden-württembergischen Grenze entfernt - auch für den Südwesten von wirtschaftlicher Bedeutung ist und viele Baden-Württemberger den Flughafen selbst nutzen. "Aber die Last ist für die deutsche Seite deutlich höher als der Nutzen", betont Wolf.

Die CDU-FDP-Landesregierung jedenfalls unterstützt die neuen Aktivitäten. "Es ist das Ziel, die Interessen gegenüber der Schweiz zu verstärken und sich neu zu positionieren", so ein Sprecher von Umweltministerin Gönner auf Anfrage. Der Druck auf das Nachbarland dürfte sich also erhöhen. Die Schweiz habe sich in den vergangenen Monaten in der Thematik "nicht bewegt und bislang keinen Kompromissvorschlag vorgelegt", bemängelt Wolf die Funkstille. Dabei müsste den Eidgenossen eigentlich daran gelegen sein, das Problem zu lösen. Der Flughafenbetreiber in Kloten plant weiterhin emsig an einer Erweiterung des internationalen Airports. Die deutsche Seite droht aber seit Jahren damit, die Anflugrechte nach Zürich noch mehr einzuschränken, wenn der Fluglärm weiterhin nach Süddeutschland exportiert wird.