In der Justizvollzugsanstalt Bruchsal ermittelt die Staatsanwaltschaft nach dem Tod eines Häftlings. Foto: dpa

Nicht jeder Häftling im Hungerstreik darf zwangsernährt werden. Dennoch wirft der Tod eine Mannes aus Burkina Faso im Gefängnis Bruchsal die Frage auf, warum niemand eingegriffen hat.

Nicht jeder Häftling im Hungerstreik darf zwangsernährt werden. Dennoch wirft der Tod eine Mannes aus Burkina Faso im Gefängnis Bruchsal die Frage auf, warum niemand eingegriffen hat.

Bruchsal - Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) hat sich am Dienstag erschüttert über den Tod eines 33-jährigen Mannes aus Burkina Faso im Gefängnis Bruchsal gezeigt. Anstaltsleiter Thomas Müller sei vorläufig von seinen Aufgaben entbunden, „um eine auch nur von dem Verdacht einer Parteilichkeit freie Untersuchung“ zu gewährleisten, hieß es in seinem Ministerium. Ein derartiges Vorkommnis habe es seit der Nachkriegszeit in Baden-Württemberg nicht gegeben.

Mit dem Ende der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wird erst in zwei bis drei Wochen gerechnet. Bis dahin wird auch in Justizkreisen darüber spekuliert, wie es zu dem Tod des Häftlings kommen konnte.

Auf Verwunderung stößt vor allem der Umstand, dass der in Einzelhaft abgeschottete Mann nicht zwangsernährt wurde, nachdem er offenbar seit Monaten die Nahrung verweigert hatte. Ob die Unterernährung letztlich zum Tod führte – er wurde am 9. August tot aufgefunden –, ist zwar noch immer Gegenstand der rechtsmedizinischen Untersuchung. Dass der rund 1,95 Meter große Mann jedoch zuletzt wenig mehr als 50 Kilo wog, gilt jedoch als sicher.

Im Justizministerium verweist man bei der Frage, wann ein Häftling zwangsernährt werden muss, auf § 80 des dritten Buches des Justizvollzugsgesetzbuchs. Dort heißt es, dass Untersuchung, Behandlung sowie Ernährung „zwangsweise nur bei Lebensgefahr, bei schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit einer oder eines Gefangenen“ oder bei Gefahr für andere Personen zulässig seien. Nicht verpflichtet sei das Gefängnis zu solchen Maßnahmen, „solange von einer freien Willensbestimmung der oder des Gefangenen ausgegangen werden kann“.

Traf das für den Bruchsaler Häftling zu? Dem Vernehmen nach zeigte der Mann psychisch krankhafte Züge, denn er war nicht nur hochaggressiv und hatte vor zwei Jahren einen Beamten dienstunfähig geschlagen, sondern auch hochängstlich: Aus Furcht vor Vergiftung hat er offenbar nur noch sehr wenig oder nichts gegessen.

Nach Meinung eines von unserer Zeitung befragten Mediziners war der Mann mit 1,95 m Körpergröße und rund 50 Kilo Körpergewicht jedenfalls „extrem unterernährt“. Ob deshalb Lebensgefahr bestand, sei aber nicht allein am Gewicht festzumachen. Maßgeblich sei der Gesamtkörperzustand. Es gebe Patienten, die etwa nach einer Tumorerkrankung oder Magenoperation bei 1,95 Meter Körpergröße auch nur rund 50 Kilo wögen und damit leben könnten.

Hätte Gefängnischef Thomas Müller, ein erfahrener Jurist, früher eingreifen müssen? Oder ging ihm womöglich der Gaul durch, und er suchte die Kraftprobe – nach dem Motto: Dich krieg’ ich klein? Solche Hinweise gab dem Vernehmen nach eine anonyme Anzeige, von der das Ministerium am 15. August Kenntnis bekam. Eine Überprüfung der Haftbedingungen weiterer Gefangener ergab allerdings keine Beanstandungen.