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Ein Mann war Stammkunde bei Prostituierten, weigerte sich aber für ihre Dienste zu zahlen. Nun wirft ihm die Staatsanwaltschaft Vergewaltigung vor. Diese bestreitet der 35-Jährige, aber dass er nicht bezahlt habe, sei schon richtig. Es habe sein Selbstwertgefühl gesteigert.

Stuttgart - Sehr christlich sei er erzogen worden, sagte der Angeklagte: Mitgliedschaft im CVJM, ehrenamtlich habe er sich während des Zivildienstes als Weihnachtsmann für Kindergartenkinder verkleidet, ein mustergültiges Eheleben geführt. Doch am Donnerstag musste sich der 35-Jährige vor der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart dem Vorwurf der Vergewaltigung stellen – und bekannte sich dabei als notorischer Prostituierten-Preller auf dem Straßenstrich im Leonhardsviertel.

Dort soll er im vergangenen Jahr in zwei Fällen Dirnen mit dem Auto an entlegene Orte bei Degerloch mitgenommen haben, nachdem jeweils vereinbart worden sei, fünfzig beziehungsweise hundert Euro für Oral- und Vaginalverkehr an die Sexarbeiterinnen zu bezahlen. Doch der Angeklagte hatte überhaupt nicht im Sinn, die Frauen zu entlohnen. Als er das den Prostituierten zu verstehen gegeben habe, so die Anklage, hätten sie dem mutmaßlichen Täter die Dienstleistung verweigert. Der gebürtige Stuttgarter, der vor seiner Inhaftierung im Oktober im Badischen lebte, habe dies nicht akzeptieren wollen und die Frauen bedroht sowie vergewaltigt.

Der Angeklagte räumte vor Gericht unumwunden ein, keinen einzigen Gedanken daran verschwendet zu haben, für den Sex zu bezahlen. „Das war meine Masche. Wenn ich die Frauen davon abbringen konnte, Vorkasse zu verlangen, bin ich nach dem Verkehr immer abgehauen“, erklärte er. Der unentgeltliche Geschlechtsverkehr mit Prostituierten habe ihm ein besseres Selbstwertgefühl gegeben.

Die Vorwürfe der Vergewaltigung weist der Angeklagte strikt von sich: „Ich habe niemanden zum Sex gezwungen!“ Ob die Darstellung des Freiers vor Gericht standhält, wird wohl erst die Aussage eines der Opfer zeigen, das gerade im Ausland ist und darum erst in 14 Tagen geladen wird.

Für den mutmaßlichen Sextäter hatte der Betrug an denProstituierten auf dem Straßenstrich private Folgen: Er erschien ohne Ehering im Gerichtssaal. Seine Frau, mit der er eine kleine Tochter hat, habe ihn nur ein Mal in Untersuchungshaft besucht. Sie hatte erst bei der Verhaftung ihres Mannes von dessen Treiben im Rotlichtmilieu und den gegen ihn erhobenen Vorwürfen erfahren.

Der Angeklagte behauptet, dass ihn Burn-out in die Welt abseits seines Familienlebens mit Eigentumswohnung und engem Kontakt zu den christlichen Schwiegereltern. „Ich habe in der Zeit meinen Glauben verloren, aber seit meiner Verhaftung zu Gott zurückgefunden“, so der Angeklagte.

Sein Verteidiger wollte zunächst die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausschließen, mit der Begründung, dass sein Mandant so fromm sei. Das Gericht sah hierfür keine Veranlassung. Der Prozess wird fortgesetzt.