Franz Beckenbauer, OK-Chef 2006, vor dem WM-Logo: Aus heutiger Sicht entbehrt das Motto nicht einer gewissen Ironie: „Zu Gast bei Freunden“.  Foto: AP

Der Deutsche Fußball-Bund hat ein großes Problem: Franz Beckenbauer – das meint unser Sportchef Gunter Barner in seinem Leitartikel.

Stuttgart - Einigermaßen beruhigend ist in diesen dunklen Tagen, dass selbst ein so mächtiges Gebilde wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nicht tun und lassen kann, wonach ihm der Sinn gerade steht. Seit diesem Montag ist Wolfgang Niersbach nicht mehr der Chef des größten Sportfachverbands der Welt. Was einerseits eine gute Nachricht ist, andererseits eine schlechte. Zwar hat endlich jemand die politische Verantwortung dafür übernommen, dass der DFB seit Wochen daherkommt wie ein Haufen ignoranter Dilettanten. Aber von sinnfälligen Antworten auf bohrende Fragen ist das Frankfurter Raumschiff auf dem Planeten Fußball noch so weit weg wie Barfuß Bethlehem vom Gewinn der Champions League.

Doch ungeachtet aller Irritationen in der undurchsichtigen Affäre um die Vergabe der WM 2006 residiert im österreichischen Exil ein neuzeitlicher Monarch, der mit seinem Kaiser-Schmarrn seit Jahren für gutes Geld Appetit auf Fußball macht. Weil er nun, von allerlei Rechtsbeiständen beraten, den Mund seit Wochen nur noch zum Mittagessen aufzumachen scheint, hat der Deutsche Fußball-Bund ein großes Problem: Franz Beckenbauer. So sehr sich die Frankfurter Sportsfreunde mit ihrem schlechten Gewissen nach dem öffentlich wirksamen Kaiser-Schnitt sehnen, der ehemalige Chef des WM-Organisationskomitees sitzt und schwitzt die Affäre aus wie eine leidige Grippe. Sie kommt, und sie geht.

Jo, is denn schon wieder Weihnachten?

Ganz egal, dass ominöse 6,7 Millionen Euro irgendwohin flossen, wo es gut war für die Stimmen pro Deutschland. Völlig gleich, dass bei seinen alten Spezi aus dem OK kurz mal die Steuerfahndung vorbeischaute. Und was kann er schon dafür, dass der Wolfi bleichgesichtig und hilflos Erklärungen daherstammelte, als stünde er vor einem Rendezvous mit der Lollobrigida? Und dass jetzt so ein von ihm, dem Kaiser, unterschriebenes Papier auftaucht, in dem er dem korrupten Spießgesellen Jack Warner allerlei bestechende Argumente geliefert hat? Mei, eine schöne Geschichte, halt. Jo, is denn schon wieder Weihnachten?

Noch wähnt sich der Kaiser sicher im Hof auf seiner Salzburg. Aber wenn nicht alles täuscht, werden die Ethik-Kommissare des Weltfußballverbands und staatlichen Ermittler die Festung bald schleifen. Denn inzwischen geht es um mehr als ein bisschen Landschaftspflege im Vorfeld der Vergabe für die WM 2006. Hier mal ein Freundschaftsspielchen, dort mal ein Satz neuer Trikots. Die Welt will wissen, ob der Fußball in Deutschland genauso schmutzig, verdorben und korrupt ist wie andernorts im mafiosen Gewebe der Fifa. Vieles deutet jedenfalls darauf hin. Und manches spricht dafür, dass Beckenbauer so leichtfüßig durch den Sumpf der Korruption watete, wie er einst durch die gegnerischen Reihen tänzelte.

Auf Einzelschicksale ist keine Rücksicht mehr zu nehmen

Strafrechtlich dürfte die Causa Sommermärchen für den Firle-Franz eher übersichtliche Folgen haben, gut möglich ist aber, dass die Welt, die der Lichtgestalt stets zu Füßen lag, nun mit dauerhaftem Liebesentzug reagiert. Das Hohngelächter aus Zürich jedenfalls ist unüberhörbar. Das mediale Begleitboot aus dem Hause Springer hat auch schon abgedreht. Und die neuen Kapitäne auf dem havarierten Flaggschiff DFB, Rainer Koch und Reinhard Rauball, eint der unbedingte Drang, den schwer beweglichen Tanker wieder auf Kurs zu bringen. Auf Einzelschicksale ist ab sofort keine Rücksicht mehr zu nehmen. Es geht um die Glaubwürdigkeit einer der größten gesellschaftlichen Kräfte in diesem Land. Es geht um eine Fußball-Kultur, die einen Ruf zu verlieren hat. Und es geht um 6,851 Millionen DFB-Mitglieder, die an etwas glaubten, was es so offenbar nie gegeben hat: ehrbare Kaiser und Prinzen in einem wunderbaren Sommermärchen.