Hat Journalisten und deren Informanten im Visier: Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Foto: dpa

Von einem externen Rechtsgutachten verspricht sich Deutschlands Chefankläger Klarheit darüber, ob Reporter dem Land schaden, wenn sie Geheimdokumente veröffentlichen.

Stuttgart - Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen den Chefredakteur und einen Autor des Internetblogs Netzpolitik.org wegen des Verdachts des Landesverrats ruhen vorerst. Das kündigte Generalbundesanwalt Harald Range in einem Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ an. Deutschlands oberster Staatsanwalt hatte am Donnerstag begonnen, gegen die beiden Journalisten zu ermitteln. Zuvor hatte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, eine Strafanzeige gestellt. In der warf er den beiden Bloggern vor, in zwei Fällen geheime Unterlagen des Verfassungsschutzes zur Überwachung des Internets veröffentlicht zu haben. Das Landeskriminalamt Berlin hatte die Strafanzeige an die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe weitergeleitet.

Range will zunächst ein externes Rechtsgutachten zu dem Fall einholen. In dem soll geklärt werden, ob es sich bei den Veröffentlichungen um die Bekanntgabe eines Staatsgeheimnisses handelt. Das könne nur in einem förmlichen Ermittlungsverfahren geschehen. „Bis zum Eingang des Gutachtens wird mit den Ermittlungen innegehalten“, sagte Range.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte zuvor die umstrittenen Ermittlungen gegen die beiden Journalisten und ihre Informanten wegen Landesverrats kritisch gesehen. „Ich habe dem Generalbundesanwalt mitgeteilt, dass ich Zweifel daran habe, ob die Journalisten mit ihrer Veröffentlichung die Absicht verfolgt haben, die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen“, sagte Maas. Er habe auch Zweifel, „ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt, dessen Veröffentlichung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt“.

Der Sozialdemokrat kündigte an, die Gesetze zum Straftatbestand des Landesverrats überprüfen zu wollen. Die Pressefreiheit bezeichnete der Saarländer als hohes Gut. Es werde „zu klären sein, ob die strafrechtlichen Vorschriften über Landesverrat und über den Schutz von Staatsgeheimnissen im Verhältnis zur Pressefreiheit insgesamt reformbedürftig sind“.

Peter Schaar, früherer Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, warnte in seinem Blog, wenn Journalisten und ihre Quellen damit rechnen müssten, dass die zu ihrem Schutz geschaffenen Vorschriften wie Beschlagnahmeschutz und Zeugnisverweigerungsrechte nicht mehr wirkten, sei die Pressefreiheit in Gefahr. Mit den eingeleiteten Ermittlungen habe die Bundesanwaltschaft aber eines schon erreicht: „Eine Verunsicherung des Vertrauens – nicht nur bei Journalisten – in das Funktionieren unseres Rechtsstaats.“

Auch der Regensburger Jura-Professor Henning-Ernst Müller watschte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und Generalbundesanwalt Harald Range auf dem vor allem von Rechtsgelehrten genutzten blog.beck.de ab: Der Strafrechtler monierte, dass Range in der „unerhörten, von deutschen Geheimdiensten offenbar unterstützten Spionage gegen Bürger und Politiker des eigenen Staates durch die NSA“ nicht einmal einen Anfangsverdacht einer Straftat entdeckt hätte.

In aktuellen Fall jedoch habe Range „stante pede ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats“ gegen Journalisten eingeleitet. Grundlage dafür sei die Strafanzeige des Leiters einer Behörde gewesen, „die sich im vergangenen Jahrzehnt als skandalös unfähig erwiesen hat, terroristische Gefahren von rechts zu erkennen und einzudämmen – diese Koinzidenz ist es, die geeignet ist, das Vertrauen in die Behörden Verfassungsschutz und Bundesanwaltschaft und ihre derzeitigen Leitungen nachhaltig zu stören“. Müller forderte die Richter des Verfassungsgerichts auf, „ein deutliches Wort für die Presse- und Informationsfreiheit zu sprechen und Geheimdienste und politisch orientierte Strafverfolgung in ihre rechtsstaatlichen Schranken zu weisen“.