Türkische Vereine beweisen Mut: Insgesamt zehn Vertreter von Vereinen und Moscheen haben sich in einer kleinen Feierstunde zu einem friedlichen Zusammenleben in Ludwigsburg verpflichtet. Foto: factum/Granville

Seit dem Putschversuch in der Türkei im vergangenen Juli ist nichts mehr so wie es war – auch nicht das Zusammenleben der Türken in Ludwigsburg. Die Stadtverwaltung versucht gegenzusteuern. Sie hat Vereine und Moscheen aufgefordert, eine Erklärung für ein friedliches Zusammenleben zu unterzeichnen.

Ludwigsburg - Seit dem versuchten Putsch in der Türkei im vergangenen Juli gibt es überall da politische Spannungen, wo Türken leben – auch in Ludwigsburg. Seit August versucht die Stadtverwaltung gegenzusteuern und bittet regelmäßig alle in der Stadt aktiven türkischen Vereine und Moscheen an einen Runden Tisch. Zehn von ihnen haben seither dem politischen Druck aus Ankara standgehalten und am Samstag im Rahmen einer kleinen Feierstunde eine gemeinsame Erklärung für ein friedliches Zusammenleben in Ludwigsburg unterzeichnet. Drei Vereine sind der Veranstaltung aus Angst fern geblieben.

„Ich bewundere Ihren Mut“, sagte der Erste Bürgermeister Konrad Seigfried an die Unterzeichner der Erklärung gewandt. Dass das keineswegs selbstverständlich sei, zeige die Reaktion der drei Vereine, die wegen der Androhung von Repressalien ihnen und ihren Familien gegenüber eingeknickt seien. Seigfried verlas einen Auszug aus dem Brief einer jungen Frau, die beteuerte, dass sie hinter der Idee der gemeinsamen Erklärung stehe, sie aber dennoch nicht unterzeichnen könne: „Wir können die Situation nicht aufweichen“, so die Frau. Ihr Schicksal liege „in der Hand von übergeordneten politischen Kräften“.

Schwere Geschütze aufgefahren

Seigfried unterstrich, dass man sich mit dieser Erklärung lediglich die Bereitschaft zu Dialog und Toleranz zusichere. „Damit ergreift niemand Partei für Erdogan oder die Gülen-Bewegung oder für die Kurden und die PKK.“ Und trotzdem seien in den letzten Wochen „alle Geschütze aufgefahren worden, um die Unterzeichnung zu verhindern. „Das ist unerträglich“, sagte Seigfried. „Das ist kein gutes Zeichen.“

Unterzeichnet haben das Alevitische Kulturzentrum, der Demokratische Gesellschaftsverein der Kurden, der Demokratische Kulturverein, DITIB , der FV Dersim, das Haus der Integration, die Islamische Gemeinschaft, Karadeniz Giresunlular Baden-Württemberg, das Türkische Kultur- und Sportzentrum, der Verein für Soziale Zusammenarbeit, Dialog und Integration, der Verein türkischer Elternbeiräte türkischer Schulen in der Region, der Verein zur Förderung der Ideen Atatürks und der Yunus Emre Bildung und Kulturverein.

„Der Dialog darf nicht abreißen“

Weltweit würden Menschen und ihre Religion mehr und mehr von Nationalisten und Fundamentalisten instrumentalisiert, sagte der Oberbürgermeister Werner Spec. „Inzwischen wirkt sich das auf unser Zusammenleben hier in Deutschland und auch in Ludwigsburg aus.“ Auch wenn die Stadtverwaltung keinen Einfluss auf diese unguten politischen Entwicklungen nehmen könne, so sei sie doch „ein Stück weit verantwortlich“. Immerhin lebten in der Stadt zurzeit 7397 Menschen mit türkischen Wurzeln. „Wir empfinden diese Pluralität als Bereicherung“, sagte Spec. „Wir sind diesen Menschen, die bei uns leben wollen, dankbar.“ Darum sei es ein Anliegen der Stadt, Sorge zu tragen, dass das Zusammenleben dieser Gruppen untereinander „gut und erfolgreich möglich ist“.

Seigfried ergänzte: „Die Konflikte in der Türkei dürfen nicht unser Zusammenleben beeinträchtigen.“ Auch wenn es viel Streit gebe, der Dialog dürfe nicht abreißen. „Es muss auch weiterhin möglich sein, miteinander zu sprechen – auch wenn man nicht einer Meinung ist.“