Der MTV ist stolz auf seine Leistungssportler und fördert sie. Foto: dpa

Das Mindeslohngesetz sei ein bürokratischer Wahnsinn, schimpft der Geschäftsführer des zweitgrößten Stuttgarter Sportvereins MTV. Während er vor allem den bürokratischen Aufwand kritisiert, klagt das Eltern-Kind-Zentrum im Stuttgarter Westen über die Mehrkosten.

S-West - Karsten Ewald ringt nach Worten, die noch druckbar sind. „Wer solche Gesetze macht, ist weltfremd! Ein bürokratischer Wahnsinn ist das“, schimpft der Geschäftsführer des Männerturnvereins Stuttgart über die Einführung des Mindestlohns. Der MTV mit seinen 8700 Mitgliedern ist der zweitgrößte Sportverein der Stadt, er verfügt über sechs eigene Sporthallen, sechs Sportplätze, ein Fitnessstudio sowie ein Freibad und eine Gaststätte. Etwa ein Drittel der 300 Vereinsmitarbeiter, die all das bewirtschaften und mit Leben füllen, fallen unter die Mindestlohn-Regelung.

Das Problem sei nicht das Geld, sagt Geschäftsführer Ewald. Der MTV bezahle seinen Leuten ohnehin mehr als die gesetzlich geforderten 8,50 Euro. Ein Minijobber im Fitnessstudio des Vereins beispielsweise erhalte zehn Euro brutto die Stunde. Das Problem sei vielmehr ein bürokratisches: „Die meisten Minijobber und festangestellten Lehrer haben Pauschalverträge.“ Darin seien Aufgaben, Verantwortlichkeiten, Kompetenzen und Bezahlung festgelegt. Trainiere ein Mitarbeiter beispielsweise eine Handballmannschaft, so gehöre neben dem Training etwa auch die Vorbereitungszeit, die Spiele an den Wochenenden samt Anfahrtszeiten oder die Analyse der gegnerischen Mannschaften zu seinen Aufgaben. „Das lief bislang immer sehr gut“, sagt Ewald. Nun aber müsste das Wann und Wo jeder einzelnen Tätigkeit aufgelistet und eigenhändig unterzeichnet in der Verwaltung abgegeben werden. „Das müssen wir für 25 festangetellte Lehrer und 73 Minijobber, bei denen wir häufig Wechsel haben, leisten. Was ein Aufwand!“ Mit den bestehenden Strukturen sei das gar nicht zu bewältigen. „Wir müssen eigens eine neue Stelle aus dem Budget schrauben, um diese Arbeit zu schaffen. Wir wollen uns ja an die Gesetze halten.“

Verein fühlt sich unter Generalverdacht gestellt

Ewald ärgert nicht bloß, dass der Verein für etwas derart Unsportliches wie Verwaltungskram Mittel aus dem Vereinsbetrieb schwitzen muss, sondern auch, dass der Gesetzgeber seinen Verein unter Generalverdacht stellt: „Man müsste uns erst mal nachweisen, dass wir ein Gesetz nicht einhalten, bevor man uns so ein Procedere aufbrummt! Dieses Gesetz ist nach der Maßgabe gebaut: Wir misstrauen erst mal allen und gehen davon aus, dass sie das Gesetz nicht einhalten wollen.“

An einem anderen Punkt gelange der Verein aber an die Grenzen des Legalen, gesteht der Geschäftsführer. Das betrifft die Leistungssportler im Nachwuchsbereich mit ihren vielen Trainingsstunden und den zahlreichen Wettkämpfen an den Wochenenden. So haben die Ballspieler fünf bis acht Trainingsstunden die Woche, bei den Turnern sind es sogar zwischen acht und zehn Stunden. Dafür erhalten die Jugendlichen eine Art Aufwandsentschädigung von 250 bis 300 Euro, sagt Ewald. Allerdings müsse das Geld als Honorar deklariert und versteuert werden, was Ewald ärgert, weil viele Eltern in Vorleistungen gehen: „Wie viel Zeit sie allein investieren, um ihre Kinder zum Training zu chauffieren und abzuholen! Die Jugendlichen haben ja selber noch keinen Führerschein.“ Weil es sich aber steuerrechtlich und sozialversicherungstechnisch um eine Bezahlung nach Stunden handele, fielen die 250 Euro unter die Regelungen für den Mindestlohn. Der Betrag liegt meilenweit entfernt von einem geforderten Stundensatz. Um gesetzeskonform zu sein, müsste er derart aufgestockt werden, dass sich der Verein den Leistungssport gar nicht mehr leisten könnte, sagt Ewald. „Das heißt im Klartext: Wenn wir das Gesetz befolgen, schaffen wir den Leistungssport ab.“ Beim MTV lässt man die Sache vorerst weiterlaufen wie gehabt und hofft auf eine überarbeitete Form des Mindestlohnes, die unter anderem die Spotvereine in den Blick nehmen will.

Auch beim Eltern-Kind-Zentrum (Ekiz) in der Ludwigstraße erweist sich der Mindestlohn als Sand im Getriebe. Geschäftsführerin Elke Arenskrieger klagt aber nicht über den bürokratischen Aufwand. Problematisch für den Verein sei vielmehr, dass man den acht bis neun Kräften in der Küche nun einen Euro mehr die Stunde bezahlen müsse. Der Betrag summiere sich auf 500 Euro im Monat. „Es ist fraglich, ob wir unsere familienfreundlichen Essenspreise weiter halten können“, sagt Arenskrieger. „Langfristig könnte das die gute soziale Mischung im Ekiz beeinträchtigen.“