Das Amt mache ihm Spaß und habe ihm „viel gebracht“, sagt Edgar Kuczera Foto:  

Der Verein Interart fördert seit 1970 unbekannte Künstler, indem er ihnen Ausstellungen ermöglicht. Für dieses kulturelle Engagement ehrt das Land Baden-Württemberg den langjährigen Vereinsvorsitzenden Edgar Kuczera.

S-Mitte - Wenn Edgar Kuczera durch alte Ausstellungsprospekte blättert, gleicht der Blick auf die Fotos der Künstler dem Blick auf die Kunst. „Der ist gestorben“, murmelt er. „Der ist auch schon tot.“ Gewiss ist dies der natürliche Lauf der Dinge, wenn ein Verein sich seit fast 40 Jahren um ein Anliegen bemüht, in diesem Fall eben um Kunst. Aber um den Kunstsinn im Land ist es auch nicht zum Besten bestellt. Er röchelt noch, aber „er ist zum Anlagemarkt verkommen“, sagt Kuczera. Gekauft wird nicht, was gefällt, sondern was eine Wertsteigerung verspricht. Auf mancher Vernissage „sehen die Besucher sich nicht einmal mehr die Bilder an“.

Förderung von regionalen und nicht etablierten Künstlern

Dieses Gefühl der Tristesse ist nicht neu. Nicht zuletzt, um sich gegen die Wucht der Kommerzialisierung zu stemmen, hat sich 1970 eine Gruppe von Künstlern zusammengetan. Daraus wurde der Verein Interart, der mit seiner Galerie im Bohnenviertel nach wie vor dem Zweck dient, „regionalen und nicht etablierten Künstlern Gelegenheit zu geben, sich zu präsentieren“, sagt Kuczera. Eine Jury wählt unter den Bewerbern für Ausstellungen aus. Die Künstler zahlen 50 Euro für Werbung – so sie es sich leisten können. Sonst nichts. Eine Ausstellung pro Jahr ist für Studenten reserviert. Gelegentlich stehen Werke zur Schau, die in Sozialprojekten entstehen. „Der ganze Sinn ist, Außenseitern eine Chance zu geben“, sagt Kuczera.

Den Verein seinen Verein zu nennen, ist formal falsch, aber niemand würde widersprechen. Schon bei der Gründung der Gruppe war er Organisator. Später saß er im Vorstand des Vereins, wurde sein Vorsitzender und blieb es fast 20 Jahre lang, bis die Gesundheit ihm das Amt abzwang. Das Land hat Kuczera seine Ehrennadel verliehen. Eigentlich war das unnötig, sagt er: „Das Amt macht Spaß und hat mir unglaublich viel gebracht.“ Nebenbei eine ansehnliche Sammlung von Werken unbekannter Künstler – gekauft, nicht geschenkt.

Gewissermaßen hat er sich mit dem Ehrenamt eine alte Liebe zurückerobert. Die Kunst hat ihn schon als Gymnasiast begeistert. „Ich hatte das Glück, einen fantastischen Kunsterzieher zu haben“, sagt Kuczera. Für den Broterwerb entschied er sich geradezu gegenteilig zu seiner Leidenschaft. Er studierte Maschinenbau und eröffnete ein Ingenieurbüro. Selbstverständlich war es Zufall, aber später heiratete er eine Künstlerin: Aegli Platonos.

Von der Kunst leben bedeutet reich heiraten oder kellnern

Sie war fortan in der Situation, die manchem Künstler die Kunst erst ermöglicht: „Die einen sind reich verheiratet“, sagt Kuczera. „Die anderen kellnern.“ Nur zwei Prozent derjenigen, die Kunst studieren, können von ihr leben. Denn kaum ein Galerist stellt Werke aus, die mit unbekannten Namen signiert sind. Es ist schier unmöglich, sie zu verkaufen.

Es ist auch schier unmöglich, einen Verein wie Interart zu betreiben. „Finanziell ist es sehr schwierig“, sagt Kuczera. Auf gut 20 000 Euro summiert sich der Jahresetat. Regierungspräsidium und Kulturamt bezuschussen. Der SWSG gehört die Galerie. Sie erlässt eine von zwölf Monatsmieten. Früher schossen Sponsoren Geld zu, sogar Porsche. Aber auch dort gilt inzwischen: Kunst ist, was von etablierten Künstlern stammt. Eine jährliche Versteigerung bringt Geld, aber im Grunde bezahlen die Kunstsinnigen ihr Hobby selbst. Haupteinnahmequelle sind die 40 Euro, die jedes der 230 Vereinsmitglieder jährlich überweist. Die meisten sind Liebhaber, keine Künstler. Diese Schar wächst auch nicht.

Das gegenteilige Konzept zum Kommerz ist Nachwuchswerbung. „In die Galerie Interart kommen viele junge Leute, die sich erstmals mit Kunst befassen“, sagt Kuczera. Bis zu 100 Gäste drängen sich bei Vernissagen. Allerdings ist Interesse nicht gleich Engagement. Die Galerie wird vollständig im Ehrenamt betrieben. Immer weniger Mitglieder sind bereit, Schichten zu schieben. Sichtbarstes Zeichen der Personalnot ist der Vereinsvorsitzende. Der Kunstprofessor Klaus Bushoff hat das Amt kommissarisch übernommen. Kein anderer war bereit. Findet sich dauerhaft kein Nachfolger, sagt Kuczera, „dann müssen wir den Verein schließen“.