Menschen mit geistiger Behinderung können eigenständig wohnen. Foto: Lichtgut/Kovalenko

Die Lebenshilfe Stuttgart feiert in diesem Jahr das 30. Jubiläum des Ambulant Begleiteten Wohnens.

S-Nord - Heute ist es beinahe selbstverständlich, dass Menschen mit geistiger Behinderung ihren Alltag weitgehend alleine meistern. Vor 30 Jahren sah das aber noch ganz anders aus. Damals überlegten die Mitarbeiter des Vereins Lebenshilfein Stuttgart-Nord, welche Wohnform für einige ihrer Schützlinge die geeignete sein könnte. 1986 starteten sie daher ein Experiment: Während der Sommerferien durften drei Menschen mit geistigem Handicap alleine eine Wohnstätte des Vereins beziehen – mit ambulanter Unterstützung. Das Ergebnis war so vielversprechend, dass kurze Zeit später das „Ambulant Begleitete Wohnen“ ins Leben gerufen wurde. So zogen 1987 zwei Damen in die erste Zweier-WG der Lebenshilfe ein. In diesem Jahr feiert das Ambulant Begleitete Wohnen sein 30-jähriges Bestehen.

„Aus den ersten Schritten ist ein differenzierter, bedarfsorientierter Wohnverbund mit einer Vielzahl unterschiedlichster Wohnangebote geworden“, erzählt der Vorstandsvorsitzende der Lebenshilfe Stuttgart, Reinhard Bratzel. „Vom Einzelappartement, über Paarwohnen, bis hin zur Wohngemeinschaft.“

Alle Bewohner bekommen ein intensives Training

Aktuell begleitet die Lebenshilfe Stuttgart rund 50 Menschen in dieser Wohnform. Zu Beginn des eigenständigen Wohnens bekommen alle ein intensives Training. Sie lernen, wie sie sich ein einfaches Gericht kochen können, was sie am besten einkaufen und wie Wäsche gewaschen wird. Und sie erfahren, wie und wo sie Hilfe bekommen können. Diese gezielte Vorbereitung und die begleitende ambulante Betreuung durch die Lebenshilfe ermöglichen es den Menschen, trotz ihrer geistigen Behinderung selbständig zu wohnen. Auch ein autarkes Leben als Paar ist dadurch möglich. So leben Bernd Jacobsson und seine Lebensgefährtin Inge Fabi bereits seit 23 Jahren im Ambulant Begleiteten Wohnen in Feuerbach. „Ich habe vorher zu Hause bei meinen Eltern gewohnt und Inge in der Wohnstätte in Botnang“, erzählt Jacobsson. Am Anfang sei es schwer für sie gewesen, sich alleine zurecht zu finden. Nach und nach habe sich aber eine Arbeitsteilung entwickelt, die bis heute gilt: Er kümmert sich ums Essen, geht einkaufen und ist für den Abfall zuständig. Sie wäscht die Wäsche und putzt.

Jeder soll so wohnen, wie er es möchte

Wie intensiv die Menschen bei dieser Wohnform betreut werden, hängt von ihren jeweiligen Wünschen und Bedürfnissen ab. Die einen benötigen laut der Lebenshilfe vor allem Unterstützung bei der Organisation von Freizeitaktivitäten. Andere wünschen sich Hilfe bei der Einkaufsplanung oder eine Shopping-Begleitung. Ganz wichtig, so Reinhard Bratzel, sei einfach, „dass jeder Wohnkunde die Möglichkeit erhält, so zu wohnen wie er es möchte“.