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Der schwäbische Dialekt droht in Vergessenheit zu geraten – ein Mundartverein tritt dem entgegen.

Stuttgart - Viele junge Menschen kennen Schwäbisch nur von ihren Großeltern. Deshalb fördert der Verein Schwäbische Mundart den Dialekt in den Schulen der Region mit Mundartwettbewerben und Schwäbischunterricht.

Freitagmorgen in einer Hauptschule in Stuttgart-Rot. Wolfgang Wulz ist seine Aufregung anzusehen. Gleich soll er eine Klasse unterrichten, die er nicht kennt. Wulz ist bis vor einem Jahr Lehrer in Sindelfingen gewesen. Und doch ist der 62-Jährige heute Morgen nicht an seinen ehemaligen Arbeitsplatz gefahren. Eigentlich ist Wolfgang Wulz Lehrer für Deutsch und Geschichte. Heute aber unterrichtet er ein Fach, das er nicht studiert hat. Eines, das man gar nicht studieren kann. Wolfgang Wulz ist nach Rot gekommen, um in einer achten Klasse anderthalb Stunden Schwäbisch zu unterrichten.

„Ihr miaßed frôga, wenn ihr ebbes ned v’rstandet“, schickt Wulz den knapp 20 Schülern voraus. Dann legt er eine Folie auf den Tageslichtprojektor. Auf ihr sind kleine Comicfiguren im Schulalltag zu sehen. Unter jedem Bild stehen Stichwörter wie „g’veschbrd“, gevespert, um die große Pause zu beschreiben. Freudig sprechen die Schüler die Wörter gemeinsam mit Schwäbischlehrer Wulz im Chor. Zu seiner Überraschung sind die Mädchen und Jungen mit den meisten Wörtern vertraut. Nur als Wulz auf einen Comic mit einem schlafenden Schüler deutet und sagt: „Nô hend ihr weidrdriald“, herrscht kurze Zeit Ratlosigkeit unter den Schülern. Da streckt der 14-jährige Furhan und ruft: „Ah, das heißt sabbern!“ Wolfgang Wulz nickt und erklärt: „Der Driel ist, wenn einer schläft.“

Wolfgang Wulz ist eine Art Missionar des schwäbischen Dialekts. Er ist im Rahmen des Projektes Mundart in der Schule unterwegs in Stuttgart und der Region. Wulz und der Verein Schwäbische Mundart wollen damit die „regionale Identität und regionales Kulturgut fördern“, wie es in einer Broschüre des Projektes heißt.

Mundartkünstler als Vermittler des Dialekts

Mundart in der Schule beschränkt sich dabei nicht auf das Schwäbische. Gleichzeitig fördert es in Zusammenarbeit mit anderen Mundartvereinen den fränkischen Dialekt im Norden Baden-Württembergs und den alemannischen im Südwesten des Landes.

Wulz vertritt den schwäbischen Zweig und leitet zugleich den Arbeitskreis Mundart in der Schule. Außerdem ist er Vorsitzender des Vereins schwäbische Mundart. Wulz ist ein großer, hagerer Mann, ursprünglich kommt er aus Heidenheim. Seinen eigenen schwäbischen Dialekt hat er im Alltag zurückgefahren. Wenn er dagegen als Schwäbischlehrer unterwegs ist, zeigt er, dass er ihn nicht verlernt hat. „Wir wollen mit unserer Arbeit den Dialekt fördern und erhalten“, erklärt Wulz in der großen Pause. Meist gingen sie in Grundschulen, um Schwäbisch zu unterrichten.

Ein wichtiges Mittel bei der Vermittlung des Dialekts sind – neben Projekten wie Mundart in der Schule – die Mundartkünstler. „Wir hatten seit 2005 rund 250 Veranstaltungen mit Künstlern“, sagt Wulz mit Stolz. Beim Schwäbischunterricht sei dagegen vor allem eines wichtig: „Lehrer sein, die jungen Menschen mit dem Thema vertraut machen und auch einen persönlichen Bezug herstellen“, erklärt Wulz, der seit nunmehr 20 Jahren Schwäbisch unterrichtet. „Gerade in Zeiten der Globalisierung stürzen sich die Menschen auf markante Unterscheidungsmerkmale – da gehört der Dialekt dazu“, glaubt er. Dialekt sei sehr eng mit heimatlichen Bräuchen wie etwa der Fasnet verbunden. Was die Perspektive des Schwäbischen angeht, zeichnet Wulz ein optimistisches Bild: Zwar gebe es Leute, die damit nichts am Hut haben wollen, „aber immer noch genügend, die dem Dialekt wohlwollend gegenüber stehen“.

Regelmäßiger Mundartwettbewerb an Schulen

Nach dem Aufwärmen mit Schwäbisch im Schulalltag fordert Wolfgang Wulz seine Schwäbischklasse dazu auf, in Dreiergruppen eine kleine Theaterszene einzustudieren. Als Thema hat Wolfgang Wulz eines seiner Bücher über Dialekt gewählt. Darin beschreibt er die Geschichten der verschiedenen Spitznamen schwäbischer Städte. Während Wulz selbst als Heidenheimer ein „Knöpfleswäscher“ sei, bezeichne man etwa die Waiblinger gemeinhin als „Zirkusgaigler“. Dazu müssen die Schüler zunächst die zugehörige Anekdote auf Schwäbische lesen und anschließend den Dialog im Dialekt verfassen.

Neben dem Schwäbischunterricht lobt der Verein Schwäbische Mundart außerdem jedes Jahr einen Mundartwettbewerb an den Schulen im Land aus. Schüler können sich dabei auf vielfältige Art und Weise mit dem Thema Dialekt auseinandersetzen. Etwa, indem sie ein Mundartbuch gestalten oder den Dialekt im Umfeld ihrer Schule erforschen. Gerade etwa ist eine neue Runde des Wettbewerbs gestartet – noch bis März nächsten Jahres können Schüler ihre Mundart-Arbeiten einreichen.

Seiner Schwäbischklasse lässt Wolfgang Wulz indes als Abschiedsgeschenk eines seiner schwäbischen Bücher da. In der Hoffnung, dass sie hin und wieder einen Blick hineinwerfen. „Und dass sie die Stunde so schnell nicht vergessen.“

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