Barbara Dobrzanska (Lady Macbeth) und Jaco Venter (Macbeth) Foto: Falk von Traubenberg

Dass Verdis Oper „Macbeth“ heute nur noch selten auf der Bühne zu erleben ist, liegt auch an der Herausforderung, psychologische Innenräume überzeugend ins Bild zu setzen. Daran ist nun eine Inszenierung in Karlsruhe schillernd gescheitert.

Wahnsinnige können nicht singen. Sie mögen schreien, kreischen, schweigen, außer sich sein. Aber eine Gesangslinie zu formen, die schön und deren Verlauf genau geplant ist: Das ist ihnen nicht gegeben. Dennoch wandeln nicht erst in Opern des 20. Jahrhunderts irre Gestalten durch das Musiktheater, und zu den Komponisten, die sich schwer damit taten, Schönheit und Wahrhaftigkeit zusammenzubringen, gehört auch Giuseppe Verdi. Die Oper „Macbeth“ des 34-Jährigen ist schon deshalb ein wegweisendes Werk, weil dieser Spagat hier auf eine seinerzeit formsprengende Weise gelingt. Dass er heute nur noch selten auf der Bühne zu erleben ist, liegt nicht nur an der Schwierigkeit der Gesangspartien, sondern auch an der Herausforderung, psychologische Innenräume überzeugend ins Bild zu setzen. An ihr sind am Samstagabend der Regisseur Holger Müller-Brandes und sein Bühnenbildner Philipp Fürhofer in Karlsruhe gescheitert.

„Macbeth“ ist die Geschichte eines Verfalls. Dämonen ergreifen Besitz von einem schwachen Titelhelden, der, getrieben von der machtgierigen Frau an seiner Seite, alle Konkurrenten umbringt, bis sich seine Untaten gegen ihn wenden. In der Oper wie in Shakespeares Schauspiel, das Verdi als Vorlage diente, stehen Hexen für das Un- und Unterbewusste, das Macbeth antreibt.

Starre Szenen und Figuren

In Karlsruhe treten äußere Gründe an die Stelle der inneren. Hier sind emanzipierte Frauen die Hexen, und vorgeführt wird, wie zementierte Geschlechterrollen den Untergang eines Systems herbeiführen. Auf der kahlen Drehbühne ist eine rechteckige, an den schmalen Seiten offene Glasvitrine der einzige Ausstattungsgegenstand: ein rotierendes Stück Dekoration. Manchmal posieren Frauen in Dessous darin, manchmal Knaben, die mal Nachkommen Bancos, mal Greise, mal ungeborene Söhne des kinderlosen Macbeth sein sollen. Requisiten gibt es keine. Es wäre viel Personenführung möglich und nötig auf dem leeren Bühnenrund. Aber bis auf wenige Szenen bleiben Szene und Figuren starr und schematisch. Warum und wie Macbeth und seine Frau erst morden und dann langsam dem Wahnsinn verfallen: All dies ist weder zu sehen noch zu spüren. Stattdessen gibt es einsames Händeringen hier und unbewegte Massentableaus des Chores dort.

Überflüssigerweise spielt man das Stück auch noch in der erst 18 Jahre nach der Uraufführung für Paris gefertigten Fassung, also einschließlich eines langen Balletts im dritten Akt, das die dramaturgischen Defizite des zweiten Teils zusätzlich verstärkt. Dafür gibt es etwas mehr (sehr schöne) Musik, und am Pult der meist sehr präzise spielenden Badischen Staatskapelle sorgt Johannes Willig dafür, dass die knalligen Kontraste zwischen kantigen Blech-Akkorden und weichen Streicherkantilenen die Musik nicht in Einzelteile zerbrechen lassen. Unter den Sängern ragt Barbara Dobrzanska heraus: Ihre Lady Macbeth bezaubert mit feurigen Farben und präziser Präsenz in allen Lagen. Wo Jaco Venter als Macbeth nicht drückt oder an Spannung verliert (und entsprechend zu hoch oder zu tief intoniert), macht er seine Sache sängerisch gut. Exzellent sind Banco (Konstantin Gorny) und Macduff (Jesus Garcia) besetzt. Sie alle werden laut bejubelt. Nur das Regieteam erntet Buhs. Für das sonst freundliche Karlsruher Publikum ist das ein starkes Statement.