Fernwärme, hier Leitungen in Mannheim, gilt als bequem und effizient – aber ist sie auch preiswert? Foto: MVV

Hunderttausende Haushalte im Land sind an Fernwärmenetze angeschlossen. Das ist gut fürs Klima, aber bisweilen schlecht für den Geldbeutel. Denn Wettbewerb gibt es nicht. Das bringt die Liberalen auf die Palme.

Stuttgart - Das Recht für Kommunen, Hausbesitzer zum Anschluss an ein örtliches Wärmenetz zu zwingen, gehört nach Ansicht der Landtags-FDP auf den Prüfstand. „Nah- und Fernwärme müssen sich durch den Anreiz günstiger Preise im Wettbewerb durchsetzen“, meint der energiepolitische Sprecher der Landtags-FDP, Andreas Glück. Es könne nicht sein, dass Grün-Rot bei der Energiewende „auch an dieser Stelle“ auf Verpflichtung und Zwang setze.

Glück meint damit den Paragrafen 11 der Gemeindeordnung. Dieser gibt den Kommunen das Recht, die Versorgung mit Nah- und Fernwärme ebenso vorzuschreiben wie den Anschluss an die Wasserleitung, die Abwasserbeseitigung oder die Straßenreinigung. Diese Vorschrift existierte allerdings schon lange vor Grün-Rot.

Begründet wird der Anschlusszwang mit dem Klima- und Ressourcenschutz. Denn Wärmenetze erleichtern mit ihrer zentralen Wärmeerzeugung „den Einsatz von regenerativen Energieträgern wie Landschaftspflegeholz, Stroh oder Abwärme aus Biogasanlagen“, antwortet Umweltminister Franz Untersteller dem Abgeordneten Glück auf dessen Antrag.

Allerdings räumt Untersteller auch ein, dass die netzgebundene Wärme zu einer Monopolisierung führt. Zwar sei zurzeit kein förmliches Kartellverfahren gegen einen der Versorger anhängig. In der Vergangenheit habe es jedoch mehrere förmliche Missbrauchsverfahren gegeben – samt Rückzahlungen. Ein „gewisses Missbrauchspotenzial“ ist auch nach Ansicht von Untersteller bei diesem Instrument der Energiewende „grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen“.

Die Preise der verschiedenen Fernwärmeversorger unterscheiden sich jedenfalls auffällig. So gibt es laut Umweltministerium im Südwesten eine Spreizung zwischen 68,86 und 102,09 Euro pro Megawattstunde – berechnet auf die durchschnittliche Abnahme für den Bedarf eines Einfamilienhauses. Diese Unterschiede ließen aber nicht zwingend auf Missbrauch schließen, meint die Behörde.

Auch die Bundesländer unterscheiden sich. So beträgt in Baden-Württemberg der durchschnittliche Mischpreis pro Megawattstunde 84,38 Euro. In Nordrhein-Westfalen zahlen die Verbraucher lediglich 75,43 Euro, in Berlin sogar nur 70,39 Euro, in Sachsen aber wiederum mehr als 91 Euro.

Für den Kunden ist es nicht einfach auszurechnen, ob er mit einer individuellen Wärmeversorgung günstiger wegkommt. „Zu beachten ist dabei, dass nicht der reine Vergleich der verbrauchten Wärmemenge zu Heizöl- oder Gaspreisen gezogen wird, sondern eine Vollkostenrechnung mit Abschreibung der getätigten Investitionskosten die Vergleichsgrundlage bildet“, empfiehlt das Umweltministerium.

Der FDP-Abgeordnete Glück hat jedoch den Eindruck, dass die Landesregierung den Aufbau dieser Monopolstrukturen „im großen Stil“ fördert und damit die Freiheit der Verbraucher einschränkt: „Nah- und Fernwärme müssen sich durch den Anreiz günstiger Wärmepreise im Wettbewerb durchsetzen.“ Untersteller führe zum Thema Anschlusszwang lediglich den Klimaschutz als Argument an, lasse die Verbraucherinteressen aber unter den Tisch fallen.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat Verständnis für diese Klage. In einem Beitrag in der neuesten Ausgabe ihres Mitteilungsblatts heißt es unter anderem: „Ein Markt für Fernwärme, über den sichergestellt werden würde, dass Verbraucher aus Alternativen auswählen können, existiert nicht.“ Sie seien der Preisgestaltung eines lokalen Fernwärmeanbieters „ausgeliefert“.

Preise würden oftmals auch nicht veröffentlicht, Preisänderungen blieben unbegründet, geht die Kritik weiter. Anpassungsklauseln seien außerdem in den Verträgen häufig so ausgestaltet, dass sie für den Verbraucher nur schwer zu durchschauen seien. Fazit der Verbraucherschützer: „Es herrscht schlicht Preisintransparenz. So darf es nicht weitergehen!“

Die Gemeinden halten in der Regel dagegen, dass der Anschlusszwang ein Mittel für eine verlässliche Kalkulationsgrundlage sei. Wie viele Haushalte und Unternehmen derzeit an Nah- und Fernwärmenetze angeschlossen sind, lässt sich statistisch nicht genau belegen. Nach dem Zensus vom Mai 2011 waren 347 888 Haushalte an Fern- und knapp 40 000 an Nahwärme – also etwa Blockheizwerke – angeschlossen.

Von der Möglichkeit, Hauseigentümer zum Anschluss zu zwingen, machen die Gemeinden regen Gebrauch. So hat im Februar 2014 Tübingen für das Gebiet Güterbahnhof eine Fernwärmeversorgung beschlossen und die Anwohner damit „zwangsbeglückt“, wie es Kritiker formulierten. Ausnahme gelten für maximal zehn Jahre.