In einer Polonaise werden die Gäste in die verdunkelte Gaststube geleitet. Foto: Promo

Im Januar gastiert das Dunkelrestaurant im Waldhotel in Degerloch. Die Gäste bekommen an den drei Abenden Einblick in eine bis dato unbekannte Welt. Es gibt noch Karten für die Veranstaltungen auf der Waldau.

Degerloch - Die papierene Version der Ankündigung hat Hubbel. Sie ist in Braille, der Blindenschrift, ins Papier gestanzt. Wer diese versteht, kann ertasten, dass das Waldhotel Degerloch im Januar zu einer besonderen Veranstaltung lädt: zum Abendessen im Stockfinsteren. Alle, die Braille nicht entziffern können, finden die Informationen natürlich trotzdem. Der Verein Aus:sicht hat sie für Sehende zusätzlich in Normalbuchstaben aufgedruckt.

Seit einem Jahrzehnt gibt es die Dinner im Dunkeln

Aus:sicht richtet seit mittlerweile zehn Jahren Dinner im Dunkeln aus. Wenn die Gäste nach knapp vier Stunden satt sind, sind sie bestimmt auch um eine Erfahrung reicher: Sehende dürften dann ein Gefühl dafür bekommen haben, wie es wäre, blind zu sein. Sie haben sich beispielsweise notgedrungen Tricks angeeignet, wie sie ihr Weinglas füllen, ohne dass die Hälfte danebengeht, und sie haben Lauch vielleicht nicht als Lauch erkannt. Weil sie ihn nur geschmeckt, aber nicht gesehen haben.

In der Regel gibt es die Abendessen im Finstern im Restaurant Rosenau im Stuttgarter Westen sowie im Ristorante Reichsstadt in Esslingen. Das sind die festen Kooperationspartner von Aus:sicht. Ab und zu sucht sich der Verein auch eine andere Lokalität, der Abwechslung zuliebe. Wie nun für Januar das Waldhotel in Degerloch. Vergangenes Jahr hat die Belegschaft des Gästehauses am Guts-Muths-Weg ihre Weihnachtsfeier im Dunkelrestaurant verbracht. So kam die Zusammenarbeit zustande. Drei Termine für ein Drei-Gang-Menü sind zunächst auf der Waldau geplant, ob es mehr werden, kann weder das Waldhotel noch Barbara Antonin zu sagen.

Jobs für Blinde und Sehbehinderte

Antonin ist im Vorstand von Aus:sicht. Der Verein will nicht nur Sehenden einen Abend lang Einblick in eine bis dato wohl unbekannte Welt gewähren. Das Dunkelrestaurant bietet Blinden und Sehbehinderten zudem einen Job. „Das sind Leute, die es schwer haben auf dem normalen Arbeitsmarkt“, sagt Antonin. Während die Köche der jeweiligen Lokalität sehen, sind die Bedienungen blind. Das sei ein wichtiger Teil des Konzepts.

Die Konkurrenz handhabe das oft anders, sagt Antonin. Weil die Nachfrage nach zappendusteren Esserlebnissen wächst, sprießen auch Anbieter aus dem Boden, die einem ein Dinner im Dunkeln anbieten, die aber weder blind seien noch damit Blinde unterstützen würden, wie sie berichtet. Das Servicepersonal wäre dann mit Nachtsichtgeräten ausgestattet, um das bestellte Bier nicht am falschen Tisch abzustellen. „Das ist reiner Kommerz“, sagt Antonin.

Kein helles Fleckchen ist mehr zu erspähen

Die drei Termine im Waldhotel Degerloch bereitet das Team um Barbara Antonin bereits am Vorabend des 15. Januars vor. „Der größte Aufwand ist, es wirklich so dunkel zu kriegen“, sagt die Vereinsvorsitzende. Auch mit größter Mühe wird es keinem der Gäste gelingen, auch nur ein helles Fleckchen zu erspähen. Wie das funktioniert, bleibt ein Geheimnis. Ebenso die Zahl der Mitspeisenden und die Größe des Raums. Das soll jeder selbst abschätzen.

Am 15., 16. und 17. Januar verwandelt sich ein Raum im Waldhotel, Guts-Muths-Weg 18, in ein Dunkelrestaurant. Noch sind Karten zu haben. Sie kosten 69 Euro pro Person und sind unter www.aus-sicht.de buchbar.