1500 Beamte in den Polizeidienst, davon 1000 Anwärter, will das Land neu einstellen. Foto: dpa

Baden-Württemberg und Stuttgart bauen massiv Stellen auf. Politisch ist es der Weg des geringsten Widerstandes, kommentiert unser Chefredakteur Chrisoph Reisinger.

Stuttgart - In der Kommunikation ist das perfekt gemacht: Die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg platzieren ihre Etatpläne, inklusive der massiven Aufstockung ihres Personals um rund 500 beziehungsweise 2400 Stellen, in die Woche nach der Bundestagswahl. Da hat das Land schließlich andere Sorgen, die Medien beleuchten viele andere Themen.

Auf kritische Nachfragen nach der satten Personalsteigerung um rund 4,5 beziehungsweise um rund ein Prozent gibt’s nur gute Gründe: 1500 Beamte in den Polizeidienst, davon 1000 Anwärter, der große Rest der Neu-Landesbediensteten in Schulen, Justiz, Bauverwaltung. Wer wollte da widersprechen, dass es für alle sinnvolle Aufgaben gibt? Oder behaupten, der Stadt Stuttgart täten 99 zusätzliche Stellen in der Abfallwirtschaft nicht gut oder knapp 70 Stellen in den Kindertagesstätten?

Rund 160 Millionen Euro für mehr Personal

Nur, es ist halt der am wenigsten kreative und zukunftssichere Weg, diese Bereiche nicht zu einem großen Teil durch Umschichtung innerhalb der Verwaltung zu stärken, sondern durch so viele zusätzliche Stellen. Politisch ist es der Weg des geringsten Widerstandes: allen wohl und keinem weh. Finanziell aber ist das die harte Tour.

Den Schlüssel der Bundesbank für die Kosten im öffentlichen Dienst zugrunde gelegt, heißen 2900 neue Stellen für einen Steuerzahler in Stuttgart, dass seine Stadt und sein Land zusammen im Jahr rund 160 Millionen Euro mehr für Personal ausgeben werden. In der Folge dann Jahr für Jahr. Mit stetigem Teuerungspotenzial durch regelmäßige Tariferhöhungen. Mit all den zusätzlichen Verpflichtungen zur Altersversorgung, die sich aus den Neueinstellungen ergeben. Verpflichtungen, durch die Baden-Württemberg im Vergleich der Bundesländer ohnehin besonders stark belastet ist.

Als ob der Sommer nie zu Ende geht

Das soll eine solide Finanzpolitik sein? Was sich Stadt und Land hier buchstäblich leisten, ist das glatte Gegenteil von Generationengerechtigkeit. Sie geben die Steuerrekordeinnahmen so schnell wieder aus, wie die auf die öffentlichen Konten fluten; die Schulden aber lasten mit mehr als 46 Milliarden Euro trotz des Abbaus um 500 Millionen tonnenschwer auf dem Land. Es braucht keinen Abschluss in Volkswirtschaft, um zu wissen: Schön, dass die fetten Jahren dieser Republik nun schon seit 2009 währen. Doch nach jedem Auf ist noch immer ein Ab gefolgt. Stadtrat und Landtag aber handeln – frei nach einem Werbeslogan aus der Nahrungsmittelindustrie –, als ob der Sommer nie zu Ende geht.

Chance vertan

Wie sehr sie dem süßen Gift des billigen Geldes erlegen sind, offenbart sich bei genauem Hinsehen. Der Sparerfolg, dass das Land für manche Zwecke in diesem und den beiden folgenden Jahren zusammen 1,4 Milliarden Euro weniger ausgibt als bisher, geht rund zur Hälfte allein darauf zurück, dass sich der Schuldendienst unter den Vorzeichen extremer Niedrigzinsen erheblich verbilligt hat. Grün-Schwarz nimmt das gerne mit. Doch das Zinsniveau ist keine Regelgröße, auf die Landtag oder Regierung für die Zukunft irgendeinen Einfluss hätten.

Gerade die zuletzt erheblich gestiegenen Einnahmen wären für viele Städte – da steht Stuttgart ja keineswegs allein – wie das Land die große Chance, den Modebegriff Nachhaltigkeit finanzpolitisch endlich mit Leben zu erfüllen. Durch die zu Recht hoch geplanten Investitionen zum Beispiel in den Erhalt von Verkehrswegen, der nicht länger zu umgehen ist. Zugleich aber mit größter Disziplin in den Personal- und Betriebshaushalten. Gehen die Etatentwürfe durch, wie sie sind, ist diese Chance vertan.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de