Venedigs neuer Bürgermeister sieht die Zukunft der Stadt allein im Tourismus. Foto: dpa-Zentralbild

Venedigs neuer Bürgermeister Brugnaro sorgt mit seinen politischen Positionen für Aufregung – sein Vorgänger bezeichnet ihn als „venezianischen Berlusconi“.

Venedig - Elton John ist außer sich. Der britische Popsänger besitzt ein Haus auf der Giudecca-Insel, ist erklärtermaßen homosexuell und verteidigt das Recht auf die Adoption von Kindern auch für gleichgeschlechtliche Paare.   Ein Horror für Venedigs neuen Bürgermeister Luigi Brugnaro. Und weil das ein Horror für den 53-jährigen Unternehmer, Selfmademan und Gründer einer eigenen rechtspopulistischen Parteiliste ist, verbietet er in Venedigs Schulen jene  Schulbücher, in denen gleichgeschlechtliche Paare „verherrlicht“ werden, wie er es nennt.   Schulbücher, so Bürgermeister Brugnaro, in denen „die natürliche Familie“ mit schwulen Beziehungen gleichgestellt wird, „will ich nicht mehr haben“. Auch die Gender-Theorie, wonach es neben Mann und Frau noch verschiedene andere Geschlechtertypen gibt, darf Brugnaro zufolge nicht mehr in Schulbüchern auftauchen.  

Während Elton John von „Sexrassismus“ spricht applaudieren viele Katholiken und rechte Parteien Venedigs Bürgermeister.   Brugnaro zog am 15. Juni nach den Kommunalwahlen ins barocke Rathaus am Canal Grande ein. Ein ungemein sympathisch wirkender Polterer. Er klopft Besuchern gern jovial auf die Schulter, hat für jeden ein freundliches Wort und gibt sich volksnah. „Er ist eine Art venezianischer Berlusconityp“, meint Massimo Cacciari, lange Jahre Venedigs Bürgermeister und vom Typ her, ganz Intellektueller, das genaue Gegenteil von Brugnaro.   Wie sein Vorbild Berlusconi besitzt auch der Unternehmer und Bürgermeister eine eigene Sportmannschaft. Den Basketballverein Reyer Venezia Mestre. Dass der Verein, seit er ihn gekauft hat, in der A-Liga spielt, das rechnet er sich als seinen Verdienst an, denn „die brauchten jemanden, der ihnen richtig Dampf im Ar.... macht“.

Immer mehr Venezianer verlassen die Altstadt

Solchen Dampf will Brugnano auch den Venezianern machen.   Ihre Zukunft sieht der Bürgermeister, der in Personalunion auch Wirtschafts- und Kulturassessor ist, allein im Tourismus. Dass die Lagunenstadt, so der prominente Kunsthistoriker Salvatore Settis, „zu einer Art Disneyland verkommt“, stört Brugnaro in keiner Weise. Dass immer mehr Venezianer aus der Altstadt wegziehen stört ihn auch nicht. Heute leben dort nur noch etwa 60 000 Bürger. 1970 waren es noch doppelt so viele. Doch das Leben ist zu teuer und zu überlaufen geworden. Wo Venezianer wegziehen, ziehen Hotels und Pensionen ein. Für Brugnaro ist das der natürliche Lauf der Dinge Venedigs.  

Dagegen protestieren Bürgerinitiativen. Und sie protestieren auch gegen immer mehr Kreuzfahrtschiffe, die direkt im historischen Zentrum Anker werfen. Nicht auszudenken, so die Gegner der großen Pötte, wenn einer von ihnen den Kurs verlieren und direkt in historische Gebäude hineinfahren würde. In den Dogenpalast zum Beispiel.   Am 19. September sollte in den städtischen Museen eine Ausstellung mit Fotografien von Gianni Berengo Gardin, Altmeister der italienischen Fotografie, gezeigt werden. Unter dem Titel „Monster“ zeigen diese Fotos riesige Schiffe in Venedig, gegen die Paläste und Kirchen klein und zerbrechlich wirken.   Jetzt ließ der Bürgermeister diese Ausstellung verbieten. Sie schade dem Image der Urlauberstadt. Er erlaube nur dann die Ausstellung, wenn auch Erklärungstafeln aufgestellt werden, die den Besuchern deutlich machen, wie wichtig die vielen Kreuzfahrtschiffe für Wirtschaft und Handel sind. Doch da spielt der Fotograf nicht mit.  Inzwischen wird nach einem alternativen Ausstellungsort für die anklagenden Fotos gesucht. Aber so einen Ort in Venedig zu finden, wird schwer sein.