Thomas Lindner, neuer Chef der deutschen Maschinenbauer, lehnt satte Lohnerhöhungen ab.

Frankfurt - Seit Anfang Oktober führt Thomas Lindner als neuer Präsident den Verband des Deutschen Maschinen- und Anlagenbaus (VDMA). Den Firmen rät er, die Chancen der Globalisierung noch besser zu nutzen und warnt vor den Stärken Chinas.

Herr Lindner, einen besseren Amtsantritt gibt es kaum. Der Maschinenbau kann sich nach dem dramatischen Einbruch 2009 derzeit vor Aufträgen kaum retten. Auch 2011 soll die Produktion um acht Prozent zulegen. Wie nachhaltig ist der Aufschwung?

Das ist eine gute Frage, leider ergibt sich hier immer erst im Nachhinein wirklich Gewissheit. Aber an unserer Prognose für 2011 können Sie erkennen, dass wir mit einer Fortsetzung des Aufschwungs rechnen. Aber für 2012 lässt sich nun wirklich noch nichts Konkretes sagen.

Die deutschen Firmen hängen stark am Auslandsgeschäft. Asien, vor allem China wird immer wichtiger. Wie nachhaltig ist die Entwicklung in diesen Regionen?

Schon seit Jahren ist eine geschäftliche und politische Machtverschiebung in Richtung Asien im Gang, getrieben von hohen Wachstumsraten, der Öffnung zum Weltmarkt und einer hohen Exportdynamik. Auch in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise war unser Geschäft mit Asien deshalb kaum betroffen. Rund die Hälfte des Exportzuwachses des deutschen Maschinenbaus der letzten Jahre kam aus dieser Region. In fast allen Ländern Asiens besteht aber immer noch ein hoher Nachhol- und Modernisierungsbedarf. Auch Energieeffizienz, Ressourcenschonung und steigende Qualität der Produkte spielen dort eine immer stärkere Rolle. Das eröffnet deutschen Maschinenbauern weiter gute Chancen.

Was passiert, wenn sich das Wachstum in Asien oder auch in Lateinamerika verlangsamt. Gibt es einen Ausgleich in Deutschland und Europa?

Unsere Branche ist weltweit gut aufgestellt. Zwar hat Asien mittlerweile einen Anteil von fast 28 Prozent an den deutschen Maschinenexporten. Heimatbasis unserer Industrie ist aber immer noch die EU-27 mit ihrem Anteil von 47 Prozent an unseren Exporten. Dazu kommen intensive Geschäftsbeziehungen mit Nordamerika und aufstrebenden Ländern wie Russland. Damit ist der deutsche Maschinenbau in der Triade Europa, Nordamerika, Asien gut verwurzelt und kann Wachstumsschwankungen gut ausgleichen.

Sind die deutschen Maschinenbauer heute widerstandsfähiger als vor der Krise?

Ja und nein. Sicher haben nicht wenige Unternehmen 2009 Verluste geschrieben oder werden sie 2010 schreiben. Ausgehend von einem hohen Stand der Eigenmittel in 2008 hätte dies eine Minderung der Eigenkapitalquote zur Folge, wenn nicht die Bilanzen verkürzt oder zusätzliches Eigenkapital eingebracht wurde. Insgesamt scheint mir aber die Widerstandsfähigkeit ausreichend hoch. Außerdem hat sich eine ganze Generation von Geschäftsführern in der Krise hervorragend bewährt.

Wo sehen Sie Risiken? Rohstoff-Preise? Euro-Kurs? EU-Staatsschuldenkrise? Neue Blase an den Finanzmärkten?

Keines der genannten Risiken lässt sich derzeit ausschließen. Die Rohstoffpreise treffen alle Wettbewerber. Ein Wiedererwachen der EU-Staatsschuldenkrise würde - auch wenn dies die Stabilität des Währungsgebiets bedrohen könnte - den stärkeren Eurokurs dämpfen. Was eine mögliche neue Blase an den Finanzmärkten angeht, sehe ich noch wenige Anstrengungen, diese zu verhindern. Klar ist, dass der gegenüber dem US-Dollar wieder recht hoch bewertete Euro schnell auf die Erträge drückt. Deshalb könnten vereinzelt Aufträge ausbleiben. Aber insgesamt bleibt der Aufschwung in Takt.

"Ich sehe eine Rückkehr zu den vernünftigen Strukturen"

Dauerthema auch im Maschinenbau ist das Verhältnis der Firmen zu Banken und Sparkassen. Bekommen die Unternehmen die gewünschten Kredite zu fairen Konditionen?

Den meisten Unternehmen ist es gelungen, durch die Krise hindurch mit ihren Banken eine stabile Finanzierung auf die Beine zu stellen. Allerdings war es teilweise sehr schmerzhaft, weil die Banken Unternehmen im Rating abgestuft, zusätzliche Sicherheiten, Kapitaleinschüsse, hohe Gebühren und teilweise hohe Zinsen gefordert haben.

Stichwort China: Die Maschinenbauer dort werden immer besser. China bleibt also nicht nur ein Markt, sondern wird auch Konkurrent. Wie kann der deutsche Maschinenbau dagegenhalten?

In China wächst eine eigene, leistungsfähige Maschinenbauindustrie heran, die wir genau beobachten müssen. Zwar haben deutsche Maschinenbaufirmen, die dort aktiv sind, in vielen Feldern noch die Nase vorn. Viele Maschinenbauer stellen Sondermaschinen her und besetzen damit Nischen, die nicht leicht zu erobern sind. Vor allem Produzenten, die Maschinen in Serienfertigung bauen, müssen auf der Hut sein. Hier gibt es für unsere Mitglieder die größeren Herausforderungen. Ständige Innovationen bleiben das Gebot.

Der deutsche Maschinenbau ist stark mittelständisch geprägt. Das macht den Gang auf fremde Märkte schwierig. Bedarf es verstärkter Zusammenarbeit?

Erwarten Sie mehr Unterstützung durch die Politik? Häufig sind einzelne Mittelständler mit ihren begrenzten Ressourcen beim Gang auf entfernte Märkte tatsächlich überfordert. Kooperationen können eine Lösung sein, etwa über einen kostensparenden gemeinschaftlichen Vertrieb und Service. Wir brauchen aber auch die Unterstützung der Politik. Die Bundesregierung muss Außenwirtschaftspolitik als Aufgabe ersten Ranges verstehen. Es geht nicht nur um Außenwirtschaftsförderung, sondern auch um bessere Rahmenbedingungen für den Export, etwa bei der Visapolitik, bei Exportgenehmigungen oder bei konsequenten Maßnahmen zum Schutz des geistigen Eigentums.

Nach dem rasanten Aufschwung wird auch in der Politik der Ruf nach Lohnanhebungen lauter. Gibt es Spielraum für mehr Geld?

Ich kann solche Forderungen nur begrenzt nachvollziehen. Wir sind in einer Phase der zügigen Besserung, aber als Branche sind wir zum einen konjunkturell noch nicht über den Berg, zum anderen haben wir die finanziellen Belastungen der Krise noch nicht verdaut. Dazu gehört der enorme Aufwand der Unternehmen für die Kurzarbeit, der auch den Arbeitnehmern zugute kam. Im Übrigen sieht der geltende Metalltarifvertrag die Möglichkeit vor, die für Frühjahr 2011 vereinbarte Lohnerhöhung vorzuziehen, falls die Ertragslage das erlaubt. Zudem sehe ich keinen Handlungsbedarf.

Die IG Metall beklagt, dass trotz Aufschwung kaum neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Wenn würden vornehmlich Zeitarbeitskräfte angeheuert. Tatsächlich zählte der Maschinenbau im Juli mit 905.000 Mitarbeitern 26000 weniger als vor Jahresfrist. Wann ändert sich der Trend?

Die Sachlage ist schlicht die: Unsere Unternehmen haben in der Krise bis über die Grenzen des betriebswirtschaftlich Vertretbaren an ihren Belegschaften festgehalten. Die Arbeitskräfte, die sie für den Aufschwung brauchen, sind daher zum großen Teil bereits im Haus. Überproportional stark war der Abbau allerdings bei Zeitarbeitern, die wir aus Gründen der Flexibilität auch in Zukunft brauchen. Ich sehe auf dem Arbeitsmarkt auch im Maschinenbau eine Rückkehr zu den vernünftigen Strukturen vor der Krise.