Felix Dreher spielt im Naturtheater Reutlingen einen Messdiener in dem Stück „Don Camillo und Peppone“. Foto: z

Der 15-jährige Felix Dreher aus Vaihingen spielt im Naturtheater Reutlingen mit und hatte eine kleine Rolle in einem Kinofilm. Sein Traumjob ist die Schauspielerei aber nicht, er weiß durchaus um die „brotlose Kunst“.

Vaihingen - Eigentlich wollte Felix Dreher singen. Doch sein Gesangslehrer im Modern Music Center in Vaihingen erzählte ihm vom Naturtheater Reutlingen, und dass es dort an männlichen Kinderdarstellern mangelt. Die Eltern des 15-Jährigen, der die Freie Evangelische Schule besucht, waren zunächst gar nicht begeistert. Neben Handball und DLRG sollte der Schüler nicht noch ein weiteres Hobby anfangen. Doch sie ließen sich überzeugen – und sind nun selbst Feuer und Flamme.

„Ich habe an zwei Workshops teilgenommen. Anschließend wurden die Rollen verteilt und der Regisseur wollte mir direkt die zweite Hauptrolle in ‚Der kleine Vampir’ geben“, erzählt Felix nicht ohne Stolz. Sein Vater Robert Dreher hatte Zweifel. Große sogar, wie er erzählt: „Ich dachte, das schafft er nicht. Er ist doch noch nie auf der Bühne gestanden.“ Doch Felix kriegt es hin. Er gibt mit Bravour den Anton Bohnsack, der sich mit dem Vampirjungen Rüdiger anfreundet, und bekommt gute Kritiken in der Lokalpresse.

Ist er ein Naturtalent? „Man übt viel. Im Theater sind alle sehr vertraut miteinander, wie eine Familie, da fällt es einem leichter, von null auf hundert zu gehen“, erklärt der Vaihinger. Lampenfieber habe er bei seinen ersten Auftritten gar nicht gehabt, sagt er. „Aber der Vater ist schier gestorben im Zuschauerraum“, fügt Robert Dreher hinzu. Er grinst bis über beide Ohren, als er sich daran erinnert. „Man braucht halt kurz, um reinzukommen“, sagt sein Sohn. „Und dann liefert man einfach seine Leistung ab.“ So unaufgeregt, wie er davon erzählt, kann man sich das bei ihm gut vorstellen.

Wenn etwas schiefgeht, ist Improvisieren angesagt

Ganz so glatt von der Hand läuft es aber auch bei Felix freilich noch nicht. Woran es bei ihm noch hakt, ist der routinierte Umgang mit den Requisiten. „Vor allem sie nicht zu vergessen und an der richtigen Stelle einzusetzen“, erzählt er. Einmal hat er den Stift vergessen, mit dem er auf der Bühne etwas aufschreiben sollte. Doch er lässt sich nicht irritieren, improvisiert und tut einfach so, als würde er schreiben – die Zuschauer sehen den Unterschied sowieso nicht. Dieses Jahr wird Felix sein Können gleich in zwei Stücken präsentieren: als Messdiener in „Don Camillo und Peppone“ und als der Sonntag in „Das Sams“. Es sind kleinere Rollen als im Jahr zuvor. „Damit es gerecht bleibt, wechselt man sich jedes Jahr ab“, erklärt der 15-Jährige. Geprobt wird vor der Premiere montags, dienstags, sonntags, in den Ferien und an Feiertagen. Von 18 bis 20 Uhr das Kinderstück, im Anschluss bis 22 Uhr das Erwachsenenstück. Ganz schön viel Zeit für einen Neuntklässler. „Die Schule darf nicht leiden, das ist eine Vorgabe des Theaters und auch von uns“, sagt Robert Dreher. Und wie bekommt er Handball und DLRG unter? „Die Handballsaison ist von September bis März, die Schauspielerei läuft im Frühjahr und Sommer. Von daher passt das“, sagt Felix. Schwimmen gehe er zusätzlich jede Woche. Zu viel ist das alles dem 15-Jährigen nicht. „Wenn ich höre, dass manche Klassenkameraden so gar nichts neben der Schule machen, frage ich mich immer: Was tun die den ganzen Tag?“, meint Felix.

Durch sein Engagement am Naturtheater ist er außerdem an eine kleine Filmrolle gekommen. Über den Tatort-Schauspieler Irfan Kars, der ebenfalls am Naturtheater spielt, hat Felix den Regisseur und Schauspieler Simon Marian Hoffmann kennengelernt. Der gab im eine Rolle in seinem Kurzfilm „Natan“. „Es ist eine ganz andere Art zu schauspielern, weil man die Szenen sehr oft wiederholt“, erzählt Felix. Auf der Bühne müsse alles gleich sitzen. Kürzlich lief der Film im Traumpalast Schorndorf; die Drehers saßen natürlich im Zuschauerraum. „Das war ein Erlebnis, mein Kind auf der Großleinwand zu sehen“, sagt Robert Dreher.

Erst mal will Felix eine Ausbildung absolvieren.

Als Traumjob sieht Felix sein Hobby aber nicht. Seine Mutter und auch sein Regisseur haben ihm geraten, erst mal etwas Richtiges zu lernen. Die Schauspielerei ist allzu oft eine brotlose Kunst, darüber ist sich der 15-Jährige im Klaren. Er möchte eine Ausbildung als Groß- und Außenhandelskaufmann absolvieren. Nächstes Jahr muss er sein Hobby daher ein wenig langsamer angehen. Denn dann stehen das Abschlussjahr und die Prüfungen an.

Noch ist er aber mitten drin in der aktuellen Saison, bis Ende August wird Felix jedes Wochenende auf der Bühne stehen. „Es war schon ein ganz schön verrücktes Jahr für unsere ganze Familie“, zieht Robert Dreher ein Resümee. Missen möchte es aber keiner der Drehers. Denn nach den Zweifeln zu Beginn hat die ganze Familie nun das Theatervirus gepackt. „Wir haben dadurch entdeckt, wie schön Theater ist“, sagt Robert Dreher. „Und eine zweite Familie bekommen“, fügt Felix hinzu.

Weitere Infos:

Info
Das Naturtheater Reutlingen ist ein Freilichtheater, das seit 1928 bespielt wird. Es wird von einem Theaterverein ehrenamtlich betrieben. Das erste Stück war Schillers „Jungfrau von Orléans.“

Zahlen
Das Ensemble besteht aus 40 Personen. Es gibt rund zwei Dutzend Kinderdarsteller, das jüngste Mitglied ist fünf Jahre alt. Seit 1978 werden jedes Jahr zwei Stücke parallel inszeniert: eines für Kinder, eines für Erwachsene.

Promis
Kürzlich hat Konstantin Wecker auf der Freilichtbühne ein Konzert gegeben. Am 2. Juli macht die SWR3 Live-Lyrix-Tour dort Station.

Adresse
Die Adresse lautet Naturtheater Reutlingen, Mark Gewand 3, 72762 Reutlingen. Das Kartentelefon erreicht man unter der Telefonnummer 0 71 21/2 67 27 62. Weitere Informationen zu den Aufführungsterminen, Eintrittskarten und Uhrzeiten findet man unter www.naturtheater-reutlingen.de.