Harter Schlagabtausch: US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton und ihr republikanischer Rivale Donald Trump schenken sich bei ihrer ersten TV-Debatte wenig. Foto: AFP

Demokratin Hillary Clinton konnte beim ersten direkten Zusammentreffen mit dem Republikaner Donald Trump mehr Boden gut machen als Trump. Aber auch dieser konnte zumindest anfangs punkten, meint unser Kommentator Michael Weißenborn zur heißen Phase des US-Wahlkampfs.

Stuttgart - Donald Trump ist Amerikas erster Präsidentschaftskandidat, der reihenweise Aussagen und Fakten fabriziert. Der sogar, wenn er die Wahrheit sagt, zum Beispiel, dass „Barack Obama wirklich in den USA geboren ist“, noch eine Lüge hinterher schiebt: Seine Rivalin Hillary Clinton habe diese Tatsache als Erste in Zweifel gezogen habe. Letztlich verdanke man ihm Klarheit, obwohl er weiter zweifelte, selbst als der Präsident seine Geburtsurkunde veröffentlicht hatte. Im schrillen Vorwahlkampf kündigte der Milliardär an, Handelskriege anzuzetteln. Und Russland lud er dazu ein, sich in den US-Wahlkampf einzumischen. Trump schert sich offenkundig wenig um die vergangenen 150 Jahre US-Politikgeschichte. Er könnte sie komplett über den Haufen werfen – und am 8. November ins Weiße Haus gewählt werden, sagt der angesehene US-Historiker Alan Lichtmann voraus. Seit 1984 hat dieser alle Wahlsieger richtig vorausgesagt.

Das Unvorstellbare ist also gar nicht mehr so unmöglich. Das bestätigen die zahllosen Meinungsumfragen: Der deutliche Vorsprung der Demokratin Hillary Clinton – auch in den entscheidenden Wackelstaaten – ist überraschenderweise völlig dahin. Ordentlich Rückenwind für Donald Trump und sein erstes Aufeinandertreffen beim TV-Duell mit der Demokratin Hillary Clinton. Eine Debatte, die den bisherigen Höhepunkt in diesem Ausnahmewahlkampf markiert.

Clinton schwach

Angesichts seines Vorwahlkampfs machte der Polit-Neuling Donald Trump vor allem in der ersten halben Stunde der TV-Debatte gar keine schlechte Figur. Als es um Handel und die Auslagerung von Jobs ging, hatte er eine äußerst wirksame Waffe, die Clintons überlegene Erfahrung als Senatorin und Außenministerin zur Bürde machte: Wenn sie schon so lange in der Politik sei, weshalb habe sie sich dann nicht um all die Probleme gekümmert, über die sie jetzt schwadroniere, so Trump. Ein guter Punkt! Er erschien dabei leidenschaftlich und verbunden mit seinen weißen Kernwählern, deren Lebensumstände zuletzt immer härter wurden. Hier schwächelte Clinton.

Doch Trump konnte den Takt beim Fortgang der Debatte nicht halten. Auch intellektuell hatte er immer weniger entgegenzusetzen. Beruhigend: Er wirkte nicht gefährlich, aber mitunter eitel und definitiv überfordert. Clinton indes wurde immer besser, auch weil ihre Politiker-Antworten im Vergleich beruhigten. Dabei traten die unterschiedlichen Sichtweisen auf Amerika wieder deutlich zutage: Trump intonierte seinen überzogenen – eigentlich unamerikanischen – Pessimismus, dass von der Wirtschaft, über die Politik bis zur Gesellschaft, alles den Bach hinunter gehe. Damit überzieht er maßlos. Clinton bestritt die Probleme nicht, wies aber mit überzeugenderen politischen Rezepten, etwa zur Unterstützung der Mittelklasse, in eine bessere Zukunft. Und beim Thema Rassenbeziehungen etwa zeigte sich, dass Trump neben seinem rituellen Ruf nach „Recht und Ordnung“ wenig zu bieten hat.

Übertriebener Pessimismus

Trump und Clinton überzeugen weite der Teile der amerikanischen Wählerschaft nicht. Nicht einmal in ihren eigenen Lagern. Die Zahl der Unentschiedenen ist noch riesengroß. Daher müssen beide viel tun, um Anhänger wie Unabhängige für sich zu mobilisieren. Clinton hat in der ersten TV-Debatte mehr Boden gut gemacht als Trump. Auch wenn dieser mit seiner Forderung nach grundlegendem Wandel durchaus punkten konnte. In die nächste Debatte Anfang Oktober geht Clinton daher mit mehr Rückenwind. Die heiße Phase des Wahlkampfs hat aber gerade erst begonnen.