US-Präsident Donald Trump und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel. Foto: AP

Eines wird bei seinem ersten Auftritt in Brüssel deutlich: Donald Trump hat keine Geduld mit den anderen Nato-Staaten. Dabei haben die ihn vor dem Gipfel eifrig umworben.

Brüssel - Nein, er ist nicht als Versöhner gekommen. Die anderen Nato-Staaten mögen auf eine beschwichtigenden Botschaft des US-Präsidenten gehofft haben - doch nicht mit Donald Trump. Er greift die Verbündeten frontal an, sie sollen mehr Geld für die Verteidigung ausgeben. Und zwar schnell.

Welche Botschaft vermittelt sein Auftritt?

Trump gibt sich ungeduldig, er liest den anderen die Leviten. Das ist bemerkenswert, sollte es in Brüssel doch eigentlich darum gehen, das neue Hauptquartier feierlich zu eröffnen. Dazu findet Trump zwar schöne Worte, doch seine harte Kritik stellt alles andere in den Schatten. „23 der 28 Mitgliedsstaaten zahlen immer noch nicht das, was sie zahlen sollten - und was sie für ihre Verteidigung ausgeben sollten“, wettert er. „Das ist nicht fair gegenüber dem amerikanischen Volk und den Steuerzahlern in den Vereinigten Staaten“, sagt er.

Das ist auch eine Botschaft an seine Anhänger in der Heimat: Seht her, ich setze mich im Ausland für Euch ein. Der Präsident sagt auch, dass nicht einmal die Erfüllung des Zwei-Prozent-Zieles genug sei. Er meint die Verpflichtung der Bündnisländer aus dem Jahr 2014, darauf abzuzielen, spätestens von 2024 an zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Militär auszugeben. Damit brüskiert er die Verbündeten. Schließlich hatten die 28 Mitglieder vor dem Spitzentreffen noch eilig Entscheidungen durchgeboxt und dem US-Präsidenten damit Zugeständnisse gemacht.

Was haben die Nato-Länder entschieden?

Sie einigten sie sich auf einen Beitritt der Allianz zur internationalen Anti-IS-Koalition. Damit weitet die Nato unter anderem den Einsatz ihrer Awacs-Flugzeuge zur Luftraumbeobachtung aus. Außerdem wollen die Mitglieder künftig einmal im Jahr darlegen, wie sie sich in Zukunft beim Thema Verteidigung engagieren wollen. Mit beiden Beschlüssen kommt das Bündnis wesentlichen Forderungen Trumps nach, auch wenn sich in der Praxis vorerst wenig ändert.

Apropos Geld: Trump behauptete, die anderen Bündnispartner hätten Schulden bei den USA - stimmt das?

Nein. Bei der Nato gibt es keinerlei vertragliche Verpflichtungen zum Lastenausgleich. Man könnte die Äußerungen des Präsidenten aber auch so interpretieren, dass er einen Ausgleich für die starke Präsenz des US-Militärs in Europa verlangt, denn die Europäer verlassen sich seit Jahrzehnten auf dessen Abschreckungspotenzial und Schutz. Allein in Deutschland sind fast 35 000 US-Soldaten stationiert. Das Pentagon verlegte Anfang des Jahres eine Panzerbrigade mit 4000 Soldaten nach Polen. Die neue Regierung will die Militärausgaben für Europa zudem noch einmal deutlich steigern - im Entwurf für den Haushalt 2018 sind 4,8 Milliarden US-Dollar zur Unterstützung von Nato-Sicherheitsmaßnahmen vorgesehen.

Wird Deutschland künftig mehr Geld für Verteidigung ausgeben müssen?

Ja, aber lange nicht so viel, wie es zuletzt manch einer befürchtet hat. Die Forderung der USA wird vorerst ein Wunsch bleiben. Nach Angaben aus Diplomatenkreisen steht es derzeit nicht zur Diskussion, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu verschärfen. Außenminister Sigmar Gabriel bezeichnete das Ziel in einem dpa-Interview als „abwegig“. Er verwies darauf, dass 2014 beim Gipfeltreffen in Wales nur beschlossen wurde, dass sich die Mitgliedstaaten dieser Marke annähern. „Es gibt kein apodiktisches Zwei-Prozent-Ziel“.

Sind die USA unter Trump noch ein verlässlicher Bündnispartner?

Schon dass Trump die Nato als „obsolet“ bezeichnete, hat viele der anderen Mitglieder schwer verunsichert. Das sagt er inzwischen zwar nicht mehr, aber mit der Rede stößt er sie erneut vor den Kopf. Hinzu kommt, dass er sich bislang nie ganz klar zur Beistandsklausel bekannt hat. Bislang gibt es allerdings keine Hinweise darauf, dass die USA im Fall eines Angriffs auf einen Alliierten ihren Beistand verweigern könnten. Nichtsdestotrotz: Nicht wenige bei der Nato hielten es für unverantwortlich, dass Trump mit seinen früheren Äußerungen überhaupt die Frage aufkommen ließ, ob das Bündnis im Ernstfall zusammenstehen würde. Für die Abschreckung gegenüber Russland sei dies katastrophal gewesen, hieß es.

Was ist eigentlich mit Russland?

Die Aufrüstung an der Nato-Ostflanke war beim Gipfel im vergangenen Jahr noch das alles beherrschende Thema. Dass die Aufmerksamkeit nun in eine ganz andere Richtung geht, erklären Nato-Diplomaten damit, dass in Sachen Abschreckung alle notwendigen Entscheidungen auf den Weg gebracht worden seien. Trump erwähnt Russland in seiner Rede kurz, er spricht davon, dass die Nato sich neben dem dem Kampf gegen den Terrorismus auch auf die Bedrohungen aus Moskau konzentrieren müsse. Die Aussage dürfte von seinen politischen Gegnern in den USA sehr genau zur Kenntnis genommen worden sein, muss Trump sich doch seit Monaten gegen den Vorwurf wehren, Mitarbeiter von ihm hätten fragwürdige Kontakte nach Russland gepflegt.

Kann man sagen, Trump habe die Nato geschwächt?

Mit Blick auf Russland vielleicht schon. Es gibt jedoch auch eine andere Lesart. Sie lautet, dass Trump das Bündnis sogar stärkt, weil er dafür sorgt, dass die Partner mehr für Verteidigung ausgeben und sich stärker im Kampf gegen den Terrorismus engagieren.

Twitter-Nutzer empört über Trumps Verhalten

US-Präsident Donald Trump hat mit einer heftigen Geste einmal mehr Spott und Empörung in den sozialen Netzwerken ausgelöst. Während eines Rundgangs durch das neue Nato-Hauptquartier in Brüssel zog er den montenegrinischen Premierminister Dusko Markovic brüsk zur Seite, drängelte sich vor ihn und stellte sich in herrischer Pose neben Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf. „Haha, was für ein debiler, schlecht erzogener Kacktyp“, twitterte der Satiriker Jan Böhmermann. Das kurze Video wurde im Netz zahlreich geteilt und kommentiert.