Bei den Demokraten in Philadelphia löst die Nominierung Clintons Partystimmung aus. Foto: AFP

Hillary Clinton geht voll in die Auseinandersetzung mit Donald Trump. So begeistert sie ihre Anhänger. Der nun folgende Wahlkampf um die Präsidentschaft könnte schmutzig werden.

Philadelphia - Am Ende der Rede nimmt der Jubel über die Kandidatin ohrenbetäubende Lautstärke an. Zehntausende von Luftballons regnen auf die Bühne herab. Das Saalfeuerwerk sorgt für Partystimmung im Wells Fargo Center von Philadelphia. Da umarmt Hillary Clinton ihren Mann Bill, lächelt ihn an, lächelt ins Publikum, winkt mit der rechten Hand. Geschafft. 57 Minuten lang sie geredet. Sie hat als erste Frau in der Geschichte der USA die Nominierung als Präsidentschaftskandidatin einer der beiden großen US-Parteien angenommen. Sie hat ihren Konkurrenten Donald Trump scharf attackiert. Sie hat geliefert.

Nun schnauft sie aus. Ein wenig. Bald schon wird sie ein politisches Duell auszutragen haben, wie sie es selbst und ihre Landsleute seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt haben. In ihrer Rede präsentiert die 68 Jahre alte Clinton einen Gegenentwurf zur apokalyptischen Vision der Republikaner, die vor einer Woche auf ihrem Parteitag in Cleveland das Bild eines Landes am Abgrund gezeichnet haben. Clinton scheint zu ahnen, dass darin ihre Chance liegt: „Glaubt niemandem, der euch sagt, er könne alles alleine lösen.“ Genau das hat Trump in Cleveland behauptet. Das gehe nirgends auf der Welt, und in Amerika gehe es schon gar nicht, ruft Clinton aus. In Amerika seien es die Leute gewöhnt, Probleme gemeinsam anzupacken.

Clinton sagt, die USA würden an den Herausforderungen wachsen

Die Ehefrau des früheren Präsidenten Bill Clinton versucht in ihrer Rede, Realitätssinn mit Optimismus zu mischen und damit einen Kontrapunkt zu Trump zu setzen. Zwar gehe es immer noch zu vielen Menschen in Amerika schlecht, sagt Clinton. Zwar gebe es Bedrohungen durch Terroristen. „Wir sehen mit klarem Blick, was auf unser Land zukommt“, sagt Clinton: „Doch wir haben keine Angst. Wir werden mit der Herausforderung wachsen, so wie wir es stets getan haben.“ Von Bagdad bis Kabul, von Nizza über Paris und Brüssel bis nach San Bernardino und Orlando „haben wir es mit entschlossenen Feinden zu tun, die besiegt werden müssen.“ Sie habe dafür einen konkreten Plan. Trump dagegen behaupte, er wisse mehr über die Terroristen des sogenannten Islamischen Staates als die Generäle der US-Armee. Clinton macht eine Kunstpause und sagt dann: „Nein Donald, das tust du nicht!“

Lange Passagen der Rede handeln nur von Trump. Der 70 Jahre alte Bauunternehmer setze darauf, „dass die Gefahren dieser Welt uns blind machen für die grenzenlosen Möglichkeiten dieser Welt.“ Der Immobilienmilliardär lasse sich ja schon von einer schlichten Twitter-Botschaft provozieren und aus der Ruhe bringen. So jemand, sagt Clinton, dürfe nicht die Kontrolle über Atomwaffen bekommen. Während auf dem Parteitag der Republikaner das „Ich“ betont worden ist (gemeint war natürlich Trump), ist es in Clintons Rede das „Wir“.

Geht es nach Hillary Clinton, dann hätte die Wahl Trumps zum US-Präsidenten katastrophale Folgen. „Er will uns vom Rest der Welt und voneinander trennen“, sagt Clinton. Er verspreche nur, sie dagegen habe schon konkrete Pläne. Sie will die Wirtschaft ankurbeln, neue Jobs schaffen und die marode Infrastruktur im Land verbessern. Bezahlt werden soll das mit höheren Steuern für Superreiche. Im Grunde versucht Clinton an diesem Abend eine etwas nach links gerückte Agenda zu verkaufen, wie sie auch schon Präsident Obama hatte, als er vor bald acht Jahren ins Weiße Haus einzog.

Mehr als 25 Millionen Menschen verfolgen die Rede am Fernsehen

Die Rede in Philadelphia, die mehr als 25 Millionen von Amerikanern im Fernsehen verfolgen, ist für Clinton auch die Chance, ihr größtes Problem anzupacken. Sie wird von vielen Wählerinnen und Wählern als nicht vertrauenswürdig angesehen. Sie wirke kühl, abgehoben, sei auf den eigenen Vorteil bedacht, ein unnahbarer Machtmensch, zu eng mit der Wall Street verbunden, sagen die Leute in Meinungsumfragen. Und so wird sie auch von Donald Trump stilisiert, der allerdings auf noch schlechtere Beliebtheitswerte kommt. Doch das Eingeständnis eigener Schwächen steht an diesem Abend nicht im Regieheft. Hillary Clinton bettelt in ihrer Rede nicht um das Vertrauen der Wähler. Sie bittet die Wähler stattdessen, ihr zu glauben, dass sie die Kandidatin mit der größten Erfahrung im Land ist, und eine Kämpferin. So hat sie schließlich auch Präsident Barack Obama genannt. „Mehr als einmal musste ich mich wieder aufrappeln, um zurück ins Spiel zu kommen“, sagt Clinton.

Es ist die Aufgabe von Chelsea Clinton, dem Publikum im Saal und vor den Bildschirmen die menschliche Seite der Kandidatin vor Augen zu führen. Die Tochter der Ex-Außenministerin und First Lady der 90er Jahre macht das mit Bravour. Ihre Mutter, flötet sie, sei nicht nur eine hartnäckige Macherin, sondern auch eine gute Zuhörerin, eine gutmütige, aber fordernde Mutter, eine warmherzige Großmutter zweier Enkelkinder. Das ist jenes pathetische Lob, das den Zuhörern in Philadelphia schmeckt. Sie klatschen begeistert Beifall.

Am Ende der Rede, als die Luftballons in Philadelphia noch auf die Kandidatin regnen, überschlagen sich schon die sogenannten Experten mit Deutungen. David Axelrod sagt, Clinton habe keine überragend gute Rede gehalten, aber eine wirkungsvolle. Axelrod muss es wissen. Er war im Jahr 2008 der Wahlkampfstratege Obamas, dessen rhetorische Begabung Clinton nicht besitzt. Wie wirkungsvoll die Rede gewesen ist, das muss sich erst noch zeigen. Der Wahlkampf zwischen Hillary Clinton und Donald Trump wird schmutzig und hart. Sie ist eine wenig beliebte, aber erfahrene Ingenieurin der Macht. Er ist auch nicht beliebt, aber er ist der König der Wutbürger.