Mit solchen Transparenten hatten vor sechs Jahren Gegner der Pipeline im Raum Alfdorf gegen das Projekt mobil gemacht. Foto: Stoppel/Archiv

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass die Enteignung der Grundstücke für einen Pipelinebau bestätigt hat, trifft bei den Klägern des Projektes auf „maßlose Enttäuschung“

Alfdorf - Nach fast sieben Jahren juristischer Auseinandersetzung haben die Gegner der Ethylen-Pipeline Süd (EPS) eine Niederlage vor der höchsten deutschen Gerichtsbarkeit einstecken müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch eine Entscheidung veröffentlicht, wonach die Enteignung der Grundstücke zugunsten des Pipelinebaus um das Jahr 2010 rechtens war – auch wenn es sich bei der Ethylen-Pipeline Süd um ein privatwirtschaftliches Projekt handle, das von einem Konsortium der chemischen Industrie getragen wird.

Die Leitung ist im Sommer 2013 in Betrieb gegangen, sie zieht sich von der bayerischen Grenze bei Nördlingen bis ins Rheintal quer durch das ganze Land. Die Kläger, eine in Alfdorf und Umgebung beheimatete, etwa 80-köpfige Interessengemeinschaft, hatten gegen das Vorgehen des Regierungspräsidiums Stuttgart und der damaligen Landesregierung Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das Verfahren war am Beispiel eines Landwirts aus Kirchheim am Ries (Ostalbkreis) durchgefochten worden.

„Wir sind maßlos enttäuscht“

Die Meinungen über dieses Urteil sind naturgemäß unterschiedlich. „Wir haben jetzt Sicherheit, dass die Pipeline zu Recht verlegt wurde“, heißt es seitens der Betreibergesellschaft, die in Ismaning bei München ansässig ist. Der Sprecher der Kläger, der Landwirt Ulrich Maier aus Alfdorf-Pfahlbronn, zeigte sich hingegen „maßlos enttäuscht“. „Sechs Jahre Verfahrensdauer, und dann wird man so abgespeist“, lautet sein Urteil. Man habe sich vom Verfassungsgericht eine andere Aussage zum Thema Enteignung versprochen. Man werde sich in Kürze treffen und mit dem Rechtsanwalt, dem Stuttgarter Verwaltungsrechtler Alexander Kukk, beraten. Gegen das Projekt sind noch zwei weitere Klagen anhängig – eine gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Stuttgart und eine weitere gegen die Höhe der Grundstücksentschädigung, die für die Kläger erheblich niedriger ausgefallen ist als für jene, die dem Pipelinebau freiwillig zugestimmt haben.

Die Röhre „vermeidet risikoreiche Transporte“

Laut der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts, die man auf dessen Internetseite nachlesen kann, ist beim Bau rechtlich alles richtig gelaufen. Das Land habe seinerzeit zum Zwecke der Enteignung ein eigenes Gesetz erlassen, in welchem die Gemeinwohlziele festgelegt seien. Eines davon sei die „Verbesserung der Transportsicherheit“ des chemischen Grundstoffs Ethylen, der „narkotisierend, erstickend, hochentzündlich“ sei und mit der Luft explosionsfähige Gemische“ bilde. Dieses Gemeinwohlziel sei daher „ausreichend gewichtig“, wegen der Röhre würden Ethylentransporte „auf anderen risikoreichen Wegen“ wie der Straße oder der Schiene vermieden. Zudem sprechen nach Meinung der Karlsruher Richter auch die getätigten Investitionen in den Chemieunternehmen dafür, dass es dort einen Bedarf an gasförmigem Ethylen gebe und dieses transportiert werden müsse. Das war von den Klägern bestritten worden.

Alexander Kukk sieht das Urteil kritisch. Man frage sich, „weswegen die Gefährdung des einzelnen Eigentümers durch eine Leitung auf seinem Grundstück zugunsten der erhöhten Transportsicherheit hingenommen werden soll“. Stattdessen hätte das höchste Gericht auch „die Notwendigkeit des Transports generell“ hinterfragen können, bemängelt Kukk.

Das Projekt war vor rund zehn Jahren angestoßen worden, nachdem Ende 2005 ein Brand eine Kunststoffproduktion im oberbayrischen Münchmünster (Landkreis Pfaffenhofen) zerstört hatte, die wieder aufgebaut werden musste. Die EPS-Pipeline dient nun dazu, den hochdruckverflüssigten chemischen Grundstoff zwischen Chemiestandorten in Oberbayern, Karlsruhe sowie in Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) zu transportieren.