Die Schwimmflügel waren für Bernd Zeyer damals unerlässlich. Foto: privat

In einer Serie berichten wir darüber, was unsere Mitarbeiter als Kind im Sommerurlaub erlebt haben. Heute erinnert sich Bernd Zeyer an den Jugoslawien-Urlaub.

Zuffenhausen - In den 1970er-Jahren gab es in der Familie Zeyer so gut wie keine Diskussionen, wenn es um den Sommerurlaub ging: Jugoslawien als Reiseziel war gesetzt. Dort bestimmte damals noch Josip Broz Tito – kurz Tito genannt – die Geschicke seiner Untertanen. In meiner Familie war es unser Vater Hermann, genannt Menne. Wie oft wir damals dort gewesen sind, weiß ich heute nicht mehr. Und meine Erinnerungen beziehen sich nicht auf einzelne Jahre, sondern haben sich im Laufe der Zeit zu einem großen Ganzen vermischt.

Am Urlaubsziel Rovinji wurde Freikörperkultur praktiziert

Schon die Vorbereitungen waren für meine Schwester Bettina (Jahrgang 1967) und mich (Jahrgang 1965) mit allerlei Aufregungen verbunden. Schließlich mussten die passenden Schwimmflügel, Schlauchboote, Taucherbrillen und ähnlich unverzichtbare Accessoires besorgt werden. Badeklamotten brauchten wir allerdings nicht. Am Urlaubsziel Rovinji auf der Halbinsel Istrien wurde nämlich die Freikörperkultur praktiziert. Bevor wir dort ankamen, galt es eine für uns Kinder unvorstellbar lange Zugfahrt (im Schlafwagen) hinter uns zu bringen. Auf jugoslawischem Territorium wurden die Waggons von zwei alten Dampfloks gezogen. Wurden in den Tunnels nicht rechtzeitig die Fenster geschlossen, drohten Rauchvergiftung oder zumindest pechschwarze Gesichter. Am Zielbahnhof angekommen, wurden die Touristen per Bus zum Urlaubsort kutschiert. Dort wartete ein echtes Unikum auf uns alle: Ein in weißer Uniform und mit weißer Mütze bekleideter Mann, „Käpt’n“ genannt, lud mit schnellen, aber jederzeit eleganten Bewegungen Mensch und Material auf Gepäckwagen, die normalerweise an Bahnhöfen benutzt werden, und brachte seine Ladung laut ratternd und mit großer Staubfahne zu den jeweiligen Unterkünften. Im Falle meiner Familie war das ein Ferienbungalow. Bevor Mama unsere Sachen im Schrank verstauen und Papa seine erste Zigarette (Reval ohne Filter) rauchen konnte, stellten wir Kinder Jahr um Jahr die selbe Frage: „Dürfen wir gleich ins Wasser?“ Nein, so wurde stets beschieden, es sei schon zu spät.

Ins Wasser ging es dann am nächsten Tag. Natürlich nicht ohne Schwimmflügel und Schlauchboot. Oft hatten wir Kinder auch Taucherbrillen mit Schnorchel und Flossen dabei. Unter Wasser öffnete sich eine für uns unbekannte Welt: Bunte Fische, stachlige Seeigel und viel nackte Haut (Stichwort FKK) boten interessante Einblicke. Unbekleidete Menschen waren auch am Strand und auf der Liegewiese stets präsent. Übergewichtige Leiber, entweder schneeweiß oder krebsrot, haben damals dafür gesorgt, dass mein Verhältnis zur Nacktheit auch heute noch getrübt ist.

Ich erinnere mich an viel Müll, Schmutz und üble Gerüche

Einmal ging es mit dem Tragflügelboot (damals der letzte Schrei, sehr schnell und sehr laut) nach Italien. Ich glaube, wir waren sogar in Venedig. Ich erinnere mich an viel Müll, Schmutz und üble Gerüche. Es wurde gestreikt, was, so die einhellige Meinung in der deutschen Touristengruppe, für Italien typisch sei. Immerhin fanden wir einen prima Spielzeugladen, der hatte eine große Auswahl von Modellpanzern. Leider kriegte ich nur einen ziemlich kleinen. Meine Schwester hingegen bekam eine Puppe, die mindestens drei Mal so groß wie mein Panzer war. Sie verlor sie bald (was mich natürlich freute), den Plastikpanzer hatte ich noch jahrelang.

Abends wartete in der Ferienanlage immer ein großes Buffet auf die Urlauber. Darauf lagen Sachen, die ich noch nie gesehen, geschweige denn gegessen hatte. Der eigentliche Clou ist aber ein Getränk gewesen, das unten rot und oben gelb war. Es war eine große Kunst, es auszutrinken, ohne dass die Farben sich vermischten. Wer das schaffte, bekam gleich noch ein Glas. Ich schaffte es mehrmals hintereinander. Als ich das viele süße Zeug schließlich erbrechen musste, stellte ich verwundert fest, dass man selbst jetzt noch die Farben gut auseinander halten konnte.

Ganz ohne Nebenwirkungen ging die Begegnung mit einem älteren deutschen Touristen über die Bühne. Der trug zur kurzen Hose weiße Kniestrümpfe und dunkle Lederschuhe. Er fragte mich mit ernstem Unterton, wo ich herkäme. „Aus Aalen“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Ahlen in Westfalen?“, wollte der rüstige ältere Herr wissen. „Ja“, sagte ich und hatte keine Ahnung, was er eigentlich meinte. „Die Westfalen sind gute Leute“, entgegnete der Mann und drückte mir ein Fünfmarkstück in die Hand. Ich schob es verwundert in die Hosentasche und nahm es überglücklich mit nach Hause – auf die Ostalb.