Die Klage gegen die Plattenfirma von Popsängerin Rihanna wird in Stuttgart verhandelt Foto: Getty Images Europe

Die Pop-Sängerin Rihanna zeigt sich im Clip zu ihrer Single „S&M“ besonders provokant und sexy. Jetzt behauptet ein Fotograf aus Saarbrücken, die Sängerin habe die Szenen abgekupfert. Dessen Klage wegen Urheberrechtsverletzung wird von diesem Dienstag an vor dem Landgericht Stuttgart verhandelt.

Stuttgart/New York - Rihanna ist mit einer Plastikfolie an eine dunkelgrüne Wand gefesselt. Doch von Beklemmung keine Spur bei der exotischen Schönheit aus Barbados, die sinnlich mit dem Mund schmollt. Abgerundet wird die Sadomaso-Szenerie im Musikvideo zu ihrem Song „S&M“ durch schwarze Klebeband-Kreuze, ein knappes Kleid aus Zeitungspapier und eine knallrote Perücke.

Vor vier Jahren hat das auch der damals 18-jährige Fotograf Philipp Paulus aus Saarbrücken gesehen. Obwohl er Fetisch-Fotografien nicht abgeneigt ist, hat er sich gehörig an dem Video gestört – enthält es doch Szenen, die seinen eigenen Fotografien, die er mit seiner Freundin aufgenommen hat, verdächtig ähneln. Die Rede ist etwa von ebendieser Szene mit der Folie und dem Klebeband. Die Unterschiede: Paulus’ Freundin ist nicht dunkelhäutig, das Rot der Perücke findet sich im Kleid von Paulus’ Freundin wieder, diese wiederum ist blond, und das Zeitungspapierkleid fehlt. „Trotzdem genug Gründe, von einem Plagiat zu sprechen“, findet Philip Jakober von der Stuttgarter Kanzlei Jakober Rechtsanwälte, die auf Urheberrechtsverletzung spezialisiert ist.

Stuttgart als Verhandlungsort verwundert

Von Dienstag an wird er Paulus als Kläger vor dem Stuttgarter Landgericht vertreten. Er hat Rihannas Label, die Universal Music Deutschland GmbH, auf 200 000 Euro Schadenersatz wegen illegalen Gebrauchs von fremdem Eigentum verklagt. Deren Anwälte dementieren die Plagiatsvorwürfe, wollen sich bis Prozessbeginn zur Sache aber nicht weiter öffentlich äußern.

Dass der Gerichtsstand Stuttgart ist, mag verwundern, da der 22-jährige Paulus mittlerweile in New York lebt – wie Rihanna auch. „Geklagt wird dort, wo die Backpfeife gegeben wird“, erklärt Jakober. Nach deutschem Recht kann also überall dort geklagt werden, wo das Musikvideo gezeigt wurde. Da es sich bei Urheberrecht um eine territoriale Angelegenheit handelt, kann Rihanna von hier aus nicht für Urheberrechtsverletzungen in anderen Ländern belangt werden. „Wenn wir dort klagen wollen, müssen wir Partnerkanzleien suchen“, sagt Jakober.

Aber erst mal ist das ohnehin nicht das Ziel der Klage. „Der Richter hat auf eine gütliche Einigung hingewiesen“, sagt Jakober. Auch ihm und Paulus ist ein Vergleich am liebsten. „Wenn dieser nicht unseren Vorstellungen entspricht, versuchen wir, eine Unterlassung und einen Auskunftsanspruch zu erwirken.“ In der Praxis hieße dies, dass Universal Music Deutschland sämtliche legale Nutzungen des Videos dokumentieren müsste. Eine Sisyphos-Arbeit. Zumal Jakober jedes Mal anfechten will, dass es sich um eine komplette Auflistung handelt. So die Strategie der Kläger.

Wurde bewusst abgekupfert?

Was sich also zum Mammutprozess auswachsen könnte, hat schon vor vier Jahren begonnen. „Damals war mir das Risiko, zu verlieren, einfach zu groß“, erzählt Paulus, der zu dieser Zeit ein noch sehr unbekannter Fotograf war. Damit ihn die Klage heute nicht finanziell ruiniert, hat er sich über Philip Jakober mit dem Prozessfinanzierer Foris ins Benehmen gesetzt. Dass Foris sich bereit erklärt hat, die Prozesskosten zu übernehmen, wertet Jakober als positives Signal für die Klage: „Foris übernimmt nur Fälle, bei denen sie davon ausgehen, dass sie mit 60-prozentiger Wahrscheinlichkeit gewonnen werden.“ Foris ist ein Unternehmen, das Klagewillige gegen Provision aus einem möglichen Schadenersatz finanziell unterstützt.

Für Jakober ist der Plagiatsvorwurf noch klarer: „Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass dann von einem Plagiat die Rede ist, wenn bei einem Kunstwerk wesentliche Züge des Ausgangswerks enthalten sind.“ Die Inszenierung mit der Klarsichtfolie und die Kreuze mit dem Klebeband seien eine glasklare Verdichtung der kreativen Schöpfung des Urhebers, findet Jakober. Das will er dem Richter und der Kammer erklären.

Als weiteres Indiz, dass absichtlich abgekupfert wurde, wertet Jakober die Tatsache, dass der Rapper Kanye West Paulus’ Fotos auf seinem Blog veröffentlicht hat. Darauf könnte wiederum die Musikvideo-Regisseurin Melina Matsoukas aufmerksam geworden sein, die sich für die Bilder in „S&M“ verantwortlich zeigt, mutmaßt Jakober. Dem schließt sich auch Paulus an: „Rihanna, Melina und Kanye West kennen sich. Außerdem hatte ich damals einen Bekannten, der Kanye West kennt.“ Weiter glaubt Anwalt Jakober, dass sich Universal den entstandenen Schaden bei Black Dog Films, wo Matsoukas unter Vertrag ist, zurückklagen will.

Für Paulus spielt das keine Rolle. Für ihn ist der Prozess in Stuttgart erst der Anfang. „Wenn wir Erfolg haben, werden wir auf den größten Musikmärkten Frankreich, Japan und USA weitermachen.“ Dass es insbesondere in den USA teuer werden kann, Urheberrechte zu verletzen, hat Universal Music bereits bei einer anderen Szene des Videos „S&M“ erfahren müssen.

Auch der berühmte amerikanische Regisseur und Fotograf David LaChapelle wollte Szenen in dem Video etwas dreist von seiner eigenen Arbeit inspiriert wissen. Amerikanische Gerichte gaben ihm recht. Er erhielt eine Schadenersatzsumme in Millionenhöhe. Jakober sieht gute Chancen zu gewinnen, weiß aber: „Ob nun eine Urheberrechtsverletzung stattfand oder nicht, liegt im Auge des Richters.“