Mohammad-Ali Behboudi schafft beklemmende Theatermomente - so auch im Theaterhaus in Stuttgart mit dem Stück "Ich werde nicht hassen" Foto: Brocke /Theaterhaus

Izzeldin Abuelaish verlor am 16. Januar 2009 durch israelische Panzergranaten in der Familienwohnung drei Töchter. Dennoch wirbt er weltweit für Frieden. Jetzt haben Silvia Armbruster und Ernst Konarek eine Monologfassung von Abuelaishs Buch „Ich werde nicht hassen“ erarbeitet.

Stuttgart - Vorweg: Das durch Fakten anrührende Kammerdrama geriet durch Mohammad-Ali Behboudis gefühlsintensive Interpretation und die reduzierte Ausstattung zu einem bewegenden Theaterabend.

Mohammad-Ali Behboudi steht auf der Bühne vor einem weißen Tuchhaufen und ringt um Fassung. 90 Minuten hat der iranische Schauspieler die Geschichte des palästinensischen Mediziners Izzeldin Abuelaish erzählt. Hat das weiße Tuch zu Häusern erklärt und es wieder zusammengerafft.

Die ersten beiden Häuser – mehr Behausung als Komfort in einem Flüchtlingscamp in Gaza – fielen militanten Aktionen durch die israelische Armee zum Opfer. Das dritte Haus wird zum erneuten Schauplatz eines Dramas, als es am 16. Januar 2009 in Granatbeschuss gerät. Aus dem Off sind Kriegsgeräusche zu hören, Mohammad-Ali Behboudi erzählt, was geschieht. Eine Granate trifft das Schlafzimmer der Familie, drei Töchter und eine Nichte werden getötet. Der weiße Leinenberg, vor dem der iranische Schauspieler nun weinend steht, wird zum Leichentuch der Toten.

Behboudi erinnert sich; mit stockender Stimme zeichnet er die Charaktere der Mädchen. Im Theatersaal fließen Tränen. Und doch wird der Exil-Iraner in der Rolle von Abuelaish wenige Minuten später ins Publikum sprechen: „Drei Kinder sind mir genommen, fünf sind mir geblieben.“ Zukunftsfähigkeit beseelt den Mann statt Hass. Denn Hass ist für ihn keine Lösung.

Was der palästinensische Mediziner Izzeldin Abuelaish in „I Shall Not Hate“ („Ich werde nicht hassen“) aus seinem Leben notiert hat, ist eine persönliche Katastrophe historischen Ausmaßes. Ein Schicksal, das sich weltweit millionenfach wiederholt, aber nur als Einzelfall mit Kopf und Herz zu verstehen ist.

Silvia Armbruster und Ernst Konarek fanden für das Theaterhaus Stuttgart eine theatrale Fassung, die nicht mit Gefühlen spart, aber auch nicht der Versuchung erliegt, überemotional zu erzählen und so auf der Bühne einen neuen Frontenkrieg zu entfachen.

Je nach Handlungsort ist arabische Oud-und Trommel-Musik zu hören oder werden Sequenzen mit jiddischer Musik eingespielt. Mit einem Teddybären im Arm erzählt Behboudi von der Kindheit des Protagonisten, der schon in jungen Jahren verstand, dass nur Bildung eine Alternative zum Elend in einem Flüchtlingscamp sein kann. Der als 14-Jähriger auf einem israelischen Bauernhof Geld verdiente und dort erlebte, dass Juden „unerwartet anständig und warmherzig“ mit ihm umgingen.

Auf einer Schiefertafel zeichnet der Schauspieler die Wege, die Abuelaish in seinem Leben ging und die die Monokultur des Flüchtlingscamps in Gaza weiteten. Das moderne, glitzernde Kairo, wo Abuelaish Medizin studiert, die europäische, dennoch multikulturell geprägte Welt in London, wo er sich zum Fruchtbarkeitsmediziner ausbilden lässt, das jüdische Arbeitsumfeld in Beersheva, wo der promovierte Gynäkologe als erster palästinensischer Arzt in Israel ein geschätzter Kollege ist.

Die Kreidezeichnungen werden aber auch zu Symbolen von Verlust und persönlichem Scheitern. Es werden Namen genannt, die eng mit der Biografie Abuelaishs verknüpft sind: David Ben-Gurion, erster Premierminister Israels, Ariel Sharon, Ministerpräsident Israels bis 2006, Fatah (übersetzt: Eroberung, Sieg), Hamas (übersetzt Eifer).

In einem eruptiven Ausbruch wird die innere Qual des Protagonisten nach außen gestoßen: „Wenn 70 Prozent der Bewohner in Gaza arbeitslos sind und die Hamas Selbstmordattentäter zu Märtyrern erklärt, was soll dann aus meinem Volk werden?“

Die Regiearbeit von Ernst Konarek ist auch am 20. und 21. Oktober im Theaterhaus Stuttgart zu sehen. Am 2. November bewegt sich Ernst Konarek „Auf den Flügeln meines schweren Herzens“ gemeinsam mit dem Musiker Karim Othman-Hassan zu Literatur und Musik aus Israel und Palästina, und am 5. November interpretiert Ernst Konarek im Rahmen der Jüdischen Kulturwochen 2014 satirisch-humoristische Erzählungen aus Ungarn. Ernst spielt Akkordeon, Joel Berger, der frühere Landesrabbiner der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, stimmt in den Abend ein. Alle Aufführungen finden im Theaterhaus statt. Mehr unter: www.theaterhaus.de.