Lokalpolitiker aus den Stadtbezirken Ost und Mitte haben sich erklären lassen, wie eine Großstadt mit Wasser versorgt wird. Foto: Benjamin Schieler

Der Hochbehälter Kanonenweg ist einer der ältesten noch genutzten Teile der Stuttgarter Wasserversorgung. Bevor er im Herbst einem Neubau weichen muss, haben sich jetzt Stuttgarter Lokalpolitiker dort umgesehen.

S-Ost - Voraussichtlich von Oktober an will die zum Energiekonzern EnBW gehörende Netze BW GmbH an der Ameisenbergstraße einen neuen Trinkwasserbehälter zur Versorgung der Innenstadt bauen. Rund 10,5 Millionen Euro sind veranschlagt, Ende 2017 soll er fertig sein. Die Bezirksbeiräte von Ost und Mitte erhielten nun einen Einblick in das Gelände zwischen Daniel-Stocker-Weg und Tennisclub und tauchten tief in die Geschichte der Stuttgarter Wasserversorgung ein.

Wenige Meter und ein Zaun trennen den roten Sandplatz des TC Ameisenberg vom Einstiegshaus in den Untergrund. Wenn die Tennisspieler sich die Bälle hin und her schlagen, tun sie das direkt über einer zuweilen mit mehreren tausend Kubikmetern Wasser gefüllten Kammer, die 1925 gebaut wurde, ein Jahr vor Eröffnung des Tennisclubs. Zwei weitere zum denkmalgeschützten Hochbehälter gehörende Kammern stammen sogar aus dem Jahr 1881, doch deren Tage sind gezählt. Der Aufwand kontinuierlicher Erneuerungen, um die Reinheit des Trinkwassers zu garantieren, rechnet sich für das Unternehmen nicht mehr. Der Aufsichtsrat gab vor Ostern grünes Licht für den Neubau.

Der neue Hochbehälter soll mindestens 100 Jahre halten

Der neue Speicher soll auf einer Fläche zum Urachplatz hin entstehen, auf der momentan ein künstlich angelegter Erdhügel steht, die Reste des Aushubs vom Bau des alten Behälters. Nach Fertigstellung soll die Fläche wieder bepflanzt werden. Die Zufahrt erfolgt über die Haußmannstraße und den Kreisverkehr am Urachplatz. Der Bezirksbeirat Ost will sich dafür einsetzen, die Belastung für die angrenzenden Wohngebiete durch Lastwagenfahrten zu minimieren. Harald Hauser, der Leiter des Regionalzentrums Stuttgart der Netze BW GmbH betonte, man wünsche eine kontinuierliche Kommunikation mit der Öffentlichkeit und speziell den Anwohnern. Im Sommer und während des Baus soll es Info-Abende geben. Die Lebensdauer des neuen aus zwei Kammern bestehenden Hochbehälters soll mindestens 100 Jahre sein. Er wird 12 000 Kubikmeter Trinkwasser fassen und 100 000 Einwohner der Innenstadt sowie Teile von Bad Cannstatt und den Oberen Neckarvororten versorgen. Die Bezugsquelle ist die Donau.

Für die veraltete Technik sind keine Ersatzteile mehr erhältlich

Da bereits wegen der Vorbereitung der Baustelle eine der drei Kammern außer Betrieb ist, ergab sich für die Bezirksbeiräte die einmalige Chance auf einen Einblick in den für gewöhnlich wegen des Terrorschutzes komplett abgeriegelten und streng überwachten Untergrund. Im blauen Sicherheitsanzug führten Mitarbeiter der Netze BW GmbH die Lokalpolitiker in die mehr als 130 Jahre alte Kammer. „Bei unseren Liegenschaften für die Wasserversorgung können sie nicht weiter in die Vergangenheit reisen“, sagte Harald Hauser. Darauf verweist auch der Name des Hochbehälters: Kanonenweg, so hieß die Haußmannstraße vor dem Zweiten Weltkrieg.

Seine Geschichte wird dem durchgängig gemauerten Behälter aus Zeiten, in denen die Stahlbetonbauweise noch nicht verbreitet war, nun zum Verhängnis. Die Bausubstanz befindet sich in einem alles in allem schlechten Zustand. Mehrere technische Teile können nicht ersetzt werden, weil es keine Ersatzteile mehr gibt, unter anderem im Turbinenhaus, dessen Anlage ihren Beitrag dafür leistet, dass am Hochbehälter Kanonenweg mehr Energie gewonnen als verbraucht wird – rund zwei Millionen Kilowattstunden Verbrauch standen im vergangenen Jahr 2,6 Millionen zurückgewonnenen Kilowattstunden gegenüber. Wegen verbesserter Pumpen und optimierter Energieerzeugungsmöglichkeiten sollen diese Werte am neuen Trinkwasserspeicher sogar noch um bis zu 20 Prozent übertroffen werden.