Das Schriftzeichen des Energierunternehmens EnBW. Foto: dapd

Neuer Regierungsbericht: So geheim bereitete Ex-Ministerpräsident Mappus den Einstieg bei EnBW vor.

Stuttgart - Die Macher von James-Bond-Filmen hätten ihre helle Freude gehabt. Es ist Herbst 2010. Der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus hat Großes vor. Er will die Anteile an der Energie Baden-Württemberg (EnBW) vom französischen Staatskonzern EdF zurückkaufen. Allein, wie soll das gehen, ohne dass zuvor ein ausländischer Investor zuschnappt oder wochenlange Debatten im Landtag das fünf Milliarden Euro teure Geschäft kaputt machen könnten?

In der Regierungszentrale, wo nur Mappus und sein Staatsminister Helmut Rau (beide CDU) in die Pläne eingeweiht sind, entsteht eine gewagte Idee: Die Operation läuft im Verborgenen. Und alle Gespräche zu dem Wiedereinstieg des Landes bei dem Energiekonzern – auch mit der beratenden Anwaltskanzlei Gleiss Lutz in Stuttgart und der Investmentbank Morgan Stanley von Mappus-Freund Dirk Notheis in Frankfurt – laufen deshalb fortan nur noch unter dem Codewort „Olympia“.

Regierungsbericht: Zwei Versionen

Niemand nennt fortan in Mails oder Telefonaten den Echtnamen. Mehr noch. Man sei „angewiesen worden, mit den Vertragspartnern keinesfalls schriftlich zu kommunizieren“, heißt es in einer Notiz von Gleiss Lutz. Das geht aus dem Regierungsbericht, den die grün-rote Koalition am Donnerstag den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses übersandt hat und der auch unserer Zeitung vorliegt. Das Gremium tagt erstmals am 3. Februar hinter verschlossenen Türen und soll die Hintergründe des umstrittenen Aktienkaufs aufklären.

Den Regierungsbericht gibt’s in zwei Versionen. Zum einen eine Variante, die alle Informationen erhält, die der Ausschuss auch öffentlich behandeln darf. Zum anderen eine vertrauliche Version. Grund dafür: Morgan Stanley wollte bisher nicht alle Akten veröffentlicht sehen, weil sie fürchtete, dass dadurch Betriebsgeheimnisse öffentlich werden. Doch der Ausschussvorsitzende Ulrich Müller (CDU) überzeugt die Bank am Donnerstagabend vom Gegenteil. Nun werden alle Akten für den Ausschuss verwertbar sein.

Besprechungsnotizen wurden kaum angefertigt

Das dürfte helfen, die Vorgänge von einst aufzuklären. Denn aufgrund der Geheimhaltung wurden kaum Besprechungsnotizen angefertigt, man habe nur eine „rudimentäre Aktenlage“. Der Bericht, so schreibt Staatsministerin Silke Krebs (Grüne) an die Ausschussmitglieder, beschränke „sich daher im Wesentlichen auf eine Rekonstruktion des Sachverhalts“. Aber auch das liest sich spannend wie ein Kurzkrimi.

Denn die Gespräche über den Wiedereinstieg des Landes bei der EnBW liefen in einem denkbar kleinen Zeitraum: Vom 26. November bis zum 6. Dezember. In jenen Tagen ging es neben den Verhandlungen zwischen Mappus und EdF-Chef Henri Proglio über den Kaufpreis für das Aktienpaket vor allem um die Frage, ob man vor Vertragsabschluss den Landtag einschalten müsse. Proglio habe erklärt, er werde den Verkauf nur unterzeichnen, wenn es sich um „unconditional deal“ (Kauf ohne Bedingungen) handele. Mappus macht deutlich, er gehe davon aus, „dass der Landtag an dem Geschäft beteiligt“ werden müsse.

Geschäft ohne Parlamentsvorbehalt beschließen

So sahen das auch die Anwälte von Gleiss Lutz. Nur wenn ein potenzieller Konkurrent dem Land quasi die Anteile wegschnappen könne, sei ein Vertragsabschluss ohne vorherige Beteiligung des Landtags gerechtfertigt. „Hier aber eher kein solcher Ausnahmefall“, heißt es im telegrammartigen Wortstil einer Notiz. Im Klartext: Außer Mappus wollte zu jenem Zeitpunkt offenbar niemand der EdF die EnBW-Anteile abkaufen. Warum also die Eile? Wollte Mappus gut drei Monate vor der Landtagswahl einen wirtschaftspolitischen Coup landen?

Fakt ist: Trotz der Warnung der Juristen wendete sich das Blatt binnen Tagen und der Deal wurde perfekt gemacht. „Von welcher Seite die Initiative zum Abschluss des Geschäfts ausgegangen ist, lässt sich den Akten nicht eindeutig entnehmen“, heißt es im Regierungsbericht. Die Anwälte von Gleiss Lutz jedenfalls informierten sich untereinander. Mappus wolle das Geschäft nun ohne den so genannten Parlamentsvorbehalt beschließen, „wenn es auch nur irgendeine Möglichkeit gebe, weil dies für ihn mit weitaus geringeren Risiken verbunden sei“. Der Regierungschef habe befürchtet, dass die EdF „zwischen Bekanntgabe des Geschäfts und dem Landtagsbeschluss an einen anderen verkaufe“. Dieses Risiko sei vermeidbar, wenn bei der Bekanntgabe der Aktion der Vertrag schon abgeschlossen sei.

Am 6. Dezember wurde der Vertrag unterschrieben

Und genau so kam es dann auch. Mappus bestellte für den Abend des 5. Dezember 2010 seinen damaligen Finanzminister Willi Stächele (CDU) in die Regierungszentrale ein. Der musste – qua Amt und ohne Vorkenntnis – das so genannte Notbewilligungsrecht genehmigen, das solche gigantischen Ausgaben ohne Zustimmung des Landtags nur für Notfälle oder Naturkatastrophen vorsieht. Nun aber diente es dazu, den EnBW-Deal abzuschließen und das Land zu einem Hauptanteilseigner zu machen. Wenige Stunden später, am Morgen des 6. Dezember wurde der Vertrag unterschrieben. Ein Schritt mit verheerenden Folgen: Im Herbst 2011 verurteilte der Staatsgerichtshof das damalige Vorgehen als Verfassungsbruch, kurz darauf trat Stächele als Landtagspräsident zurück.