Das Fahren auf schmalen Waldwegen ist in Baden-Württemberg eigentlich verboten, wird in der Praxis aber meist geduldet. Foto: DIMB

Radfahrer stellen die grüne Politik des Gehört-Werdens im Land auf die Probe: Mit dem Sammeln von 50.000 Unterschriften wollen sie Gespräche über mehr Bewegungsfreiheit im Wald erreichen.

Stuttgart - Übers Internet haben die Aufmüpfigen in nur fünf Wochen bereits fast 32 000 Unterschriften gesammelt. Sie fordern die Streichung einer Regelung im baden-württembergischen Waldgesetz, die das Radfahren im Wald auf Wegen mit weniger als zwei Meter Breite untersagt. Angestoßen hat die Aktion die Deutsche Initiative Mountainbike (DIMB), unterstützt wird sie von den beiden Radsportverbänden im Land sowie vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Auslöser war eine Antwort von Landwirtschaftsminister Alexander Bonde, über die unsere Zeitung im August als Erste berichtet hatte: Darin erklärte der Grüne auf Anfrage der FDP, dass er an der Zwei-Meter-Regelung festhalten wolle.

Noch bis Mitte November werden Unterschriften gesammelt. Sie sollen dann dem Petitionsausschuss des Landtags übergeben werden. Der Initiator und Leiter des Projekts, Heiko Mittelstädt aus Oppenau (Ortenaukreis), hofft darauf, dass Bonde einlenkt und einen Runden Tisch ins Leben ruft. So sei es bei einer ähnlichen Aktion in Hessen gewesen. Dort wurde vor kurzem das Waldgesetz gelockert, das Radfahren auf „festen Waldwegen“ ist seitdem erlaubt.

Im Stuttgarter Landwirtschaftsministerium sieht man allerdings keinen akuten Handlungsbedarf. Zwar verweist Bondes Sprecher darauf, dass das Land Gemeinden und Tourismusverbände ermuntere, attraktive Waldstrecken, sogenannte Singletrails, für Mountainbiker zu schaffen. Zugleich verteidigt er die Zwei-Meter-Regelung, sie diene dem Interessenausgleich zwischen Wanderern, Radfahrern, Waldbesitzern, Naturschützern und Jägern.

Radfahrer als „Waldbesucher dritter Klasse“

Während die Radfahrer aufs Tempo drücken, will die grün-rote Landesregierung erst mal abwarten, wie sich das Pilotprojekt entwickelt, auf das sich Tourismusförderer und Förster im Schwarzwald geeinigt haben: Dort sollen zehn Prozent der Mountainbike-Strecken künftig attraktive Pfade sein; im Moment sind es nur 2,5 Prozent. „Über das Pilotprojekt im Schwarzwald prüfen wir mit allen Beteiligten Alternativen zur bestehenden Regelung“, so der Ministeriumssprecher. Von Grünen-Abgeordneten hat Mittelstädt gehört, dass diese Prüfung erst in zwei Jahren stattfinden soll, was er viel zu spät findet, was ihn aber auch nicht wundert. Wegen der Zwei-Meter-Regelung sei das Ausweisen von attraktiven Radwegen im Wald kompliziert und dauere unheimlich lang, sagt er. Nicht selten scheitere eine Lösung an Geldmangel oder haftungsrechtlichen Fragen. Im Übrigen „wollen wir nicht auf einzelnen ausgewiesenen Strecken fahren, die dann aufwendig beschildert werden müssen. Wir kämpfen für das allgemeine Betretungsrecht“, sagt Mittelstädt. Derzeit seien Radfahrer „Waldbesucher dritter Klasse“. Der Kompromiss im Schwarzwald sei ohne die Radfahrer ausgehandelt worden.

Die Mountainbiker sehen sich durch die Zwei-Meter-Regelung unnötig kriminalisiert. Theoretisch kann bei Verstößen ein Bußgeld von bis zu 35 Euro fällig werden. Zwar geschieht dies in der Praxis so gut wie nie, weshalb die meisten Fahrer sich um das Gesetz wenig scheren. Aber für Mittelstädt ist das kein befriedigender Zustand: „Wenn du ein Jugendtrainer bist und hast fünf Jugendliche im Schlepptau – dann stiftest du alle zu einer Ordnungswidrigkeit an“, sagt er. Zudem könne es bei Unfällen Probleme mit der Versicherung geben.

Ein Wegfall der Zwei-Meter-Regelung würde Baden-Württemberg nach Ansicht der Mountainbiker für Touristen attraktiver machen. Vermehrte Konflikte mit Wanderern befürchten sie nicht. Alle anderen Bundesländer hätten liberalere Regelungen, sagt Mittelstädt, und dort funktioniere es auch. Studien würden zeigen, dass nur eine Minderheit der Wanderer mit der Freigabe aller Wege für Radfahrer ein Problem habe. Zudem werde weder die Natur stärker in Mitleidenschaft gezogen noch gebe es vermehrt Unfälle. Nur auf ganz wenigen Wegen, auf denen an den Wochenenden besonders viele Wanderer unterwegs seien, sei ein befristetes Fahrverbot sinnvoll. „Grundsätzlich meinen wir: Dort, wo gewandert werden darf, wollen wir auch fahren“, sagt er.

Die Verbände der Wanderer wehren sich gegen eine Liberalisierung. Aber laut Mittelstädt, der schon Gespräche mit diesen Verbänden geführt hat, ist die Ablehnung nicht so eindeutig, wie es scheint. Nur die älteren Mitglieder seien voll dagegen, die jüngeren würden zum Teil selbst Mountainbike fahren und hätten auch begriffen, dass die Nachwuchsgewinnung ohne eine Öffnung in der Frage immer schwieriger werde.