Viele Menschen nehmen die klassischen Regeln, wie man sich bei einem Gewitter verhalten soll, offenbar nicht mehr allzu wichtig Foto: dpa-Zentralbild

Alljährlich sterben etwa fünf Menschen an einem Blitzschlag. Der starke Stromschlag kann den Körper in vielfältiger Weise schädigen. Überlebende kämpfen oft jahrelang mit den Nachwirkungen.

Stuttgart - Ein zwölfjähriger Junge, der in Aichwald vom Blitz getroffen wurde, kämpft um sein Leben. Darüber hinaus sind in den vergangenen Tagen bundesweit bei einer ganzen Reihe von Blitzunfällen viele Menschen von Blitzeinschlägen verletzt, nicht wenige davon schwer. Dabei wurde deutlich, wie gefährlich diese starken Stromstöße sind und wie unterschiedlich sie den Körper schädigen können. Lebensgefahr besteht immer dann, wenn der Stromschlag das Herz lahmlegt und Verbrennungen große Teile des Körpers erfasst haben.

Alljährlich sterben laut Thomas Raphael vom Ausschusses für Blitzschutz und Blitzforschung des Verbandes der Elektrotechnik (VDE) etwa fünf Menschen an Blitzschlag. Glücklicherweise überleben jedoch weitaus mehr Menschen dieses Ereignis: „Wir gehen von durchschnittlich hundert Menschen aus, die jedes Jahr von einem Blitzschlag verletzt wurden, und etwa weiteren hundert, die mit einem Blitzschlag zu tun hatten, aber nicht verletzt wurden“ sagt Thomas Raphael – fügt aber gleich hinzu: „In diesem Jahr werden es nach den Ereignissen der letzten Tag sicher mehr werden.“

Die elektrische Spannung kann auf einige 100 000 Volt steigen

Die Zahlen spiegeln die alte Mediziner-Weisheit wider, dass die Folgen eines Blitzschlages von vielen Faktoren abhängen. Laut VDE kann die elektrische Spannung im Körper auf einige 100 000 Volt steigen, wenn man vom Blitz direkt getroffen wird. Welche Folgen das hat, hängt unter anderem davon ab, wo der Blitz in den Körper einschlägt und welchen Weg er dann nimmt – also welche Körperteile betroffen sind.

Der größte Teil des Blitzstroms fließt üblicherweise auf der Körperoberfläche ab. Wegen ihrer Abhängigkeit von – allerdings sehr kleinen – elektrischen Strömen sind Nerven und Herz besonders gefährdet. Akut kann es dabei zu Herzstillstand, Muskellähmungen und Nervenschäden kommen. Dabei können auch die Atemmuskulatur sowie das Atemzentrum im Hirn betroffen sein, was zu Atemstillstand führt. Gelegentlich wird ein Opfer auch meterweit durch die Luft geschleudert – was zu Knochenbrüchen führen kann. Dort, wo der Strom fließt, wird die Kleidung versengt, schmilzt Metallschmuck und verbrennt die Haut – wobei wirklich schwere Verbrennungen glücklicherweise eher selten sind.

Spätfolgen sind chronische Schmerzen, Kribbeln und Taubheitsgefühle

Hinzu kommen die möglichen Spätfolgen, die nach einem Blitzschlag drohen. Untersuchungen dazu führt die Universität Regensburg durch. Demnach leiden fast die Hälfte der Betroffenen so stark unter den Beschwerden, dass sie nicht mehr arbeiten können. Da oft die Nerven betroffen sind, zählen chronische Schmerzen, Kribbeln und Taubheitsgefühle zu den Langzeitbeschwerden. Blitzschlag-Patienten haben aber auch oft mit psychischen Problemen zu kämpfen, die von Gedächtnisstörungen, Albträumen, und Halluzinationen bis hin zu Depressionen, posttraumatischen Störungen und Persönlichkeitsveränderungen reichen.

Gefährlich ist zudem die sogenannte Schrittspannung. Die Ursache hierfür ist der starke Strom, der nach einem Einschlag nach allen Seiten durch den Boden fließt. Wenn ein Mensch in der Nähe steht, kann sich zwischen seinen Beinen eine Spannung aufbauen – und die kann zu einem gefährlichen Stromfluss im Körper führen. Daher kann es vorkommen, dass ein einziger Blitzschlag mehrere Menschen das Leben kostet. Wenn keine andere Schutzmöglichkeit besteht, sollte man sich bei einem Gewitter niederkauern und die Füße zusammenstellen.

Bei Gewitter sollte man möglichst nicht telefonieren

Doch für viele Menschen nehmen die klassischen Regeln, wie man sich bei einem Gewitter verhalten soll, offenbar nicht mehr allzu wichtig. Für Thomas Raphael hat das auch damit zu tun, dass die Technik in unserer modernen Welt eine immer größere Rolle spielt: „Der Bezug zur Natur scheint zunehmend verloren zu gehen. Viele glauben offenbar, Naturgefahren im Griff zu haben.“ Da man den Blitz nicht verhindern könne, müsse man versuchen, die Auswirkungen zu beherrschen, betont der Experte. Das bedeutet im Klartext: dem Blitz einen bequemen Weg zur Erde bieten und sich von diesem Weg fern zu halten.

Zu den altbekannten Regeln zählt auch, in der Wohnung bei einem Gewitter nicht zu telefonieren. Das gilt auch für Smartphones, wie jüngste Beispiele zeigen – zumindest wenn sie per Ladekabel am Stromnetz hängen, was bei den energiehungrigen Geräten gar nicht so selten der Fall ist. Ähnliches gilt für moderne Zelte, die nicht mehr von Metallstangen, sondern von Stäben aus Carbonfasern oder anderem nicht leitenden Material aufrecht gehalten werden. Da hilft nur; an einen sichereren Ort gehen oder sich eng im Zelt zusammenkauern.

Wo bin ich bei Gewitter am besten geschützt?

Der beste Schutz bei Gewitter

Im Auto: Grundsätzlich stellen Autos – wie beispielsweise auch Busse oder Züge – Faraday’sche Käfige dar. Sie bestehen aus Metall, leiten die Blitzenergie aber nicht nach innen, sondern leiten sie ab. Vorausgesetzt, die Fenster sind geschlossen.

Im Freien: Sich niemals unter einen Baum oder in die Nähe von hohen Gebäuden stellen. Besser eine Mulde suchen und in die Knie oder Hocke gehen, um dem Blitz möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Den Kopf mit den Händen schützen.

Im Wald: In jedem Fall einzeln stehende und besonders hohe Bäume meiden. In einem Wald mit gleichmäßig hohen Bäumen ist man dagegen recht sicher. Man sollte allerdings mindestens fünf Meter Abstand zum nächsten Baum einhalten.

Im Wasser: Im und auf dem Wasser herrscht höchste Gefahr. Wasser leitet Blitze weiter. Daher sollte man sofort aus dem Wasser gehen.

Auf dem Rad/Motorrad: Sofort anhalten, absteigen und auf mindestens fünf Meter Abstand zum Gefährt gehen. Der Glaube, dass man sicher ist, weil die Reifen aus Gummi bestehen, ist ein Irrtum. Ein Blitz, der einen Kilometer Luft durchschlägt, macht vor ein paar Millimeter Gummi nicht halt.