Sie büffeln an der Spanischen Schule die Muttersprache ihrer Eltern, hinten links ihre Lehrerin Ángela Quintana. Foto: Linsenmann

Ein Klassenzimmer im Johannes-Kepler-Gymnasium wird regelmäßig zur „Spanischen Schule“.

Bad Cannstatt Mitte - Längst ist die Schule aus an diesem Freitagnachmittag. Auf dem Schulhof bewegen nur noch ein paar Jungen ihre Boards oder spielen Basketball – sichtlich entspannt und ohne besonderen Ehrgeiz. Dem Wochenende entgegentrudeln könnten auch die jungen Leute, die sich noch im Gebäude befinden. Doch sie haben anderes im Sinn; sie wollen „richtig Spanisch lernen“ – und dafür wird das Klassenzimmer 012 des Johannes-Kepler-Gymnasiums (JKG) dreimal die Woche zur „Spanischen Schule“.

Die Bezeichnung hat gleich doppelte Gültigkeit, denn Spanisch wird hier im Auftrag des Königreiches gelehrt; Ángela Quintana ist Angestellte des Staates. Als Spanischlehrerin kommt sie in ganz Süddeutschland herum, von Heidelberg über Singen bis nach München. „Aber das JKG in Bad Cannstatt ist die größte unter diesen Schulen“, sagt die 34-Jährige. Auf den Job hatte sie sich „wegen der schönen Aufgabe“ beworben, „aber auch, weil mein Mann hier Ingenieur bei Daimler ist“, räumt sie lachend ein und fügt hinzu: „Das ist Europa!“

Alle Schüler der Klasse „lieben Spanien“

Zweimal in der Woche unterrichtet sie, donnerstags und freitags, drei Gruppen von insgesamt 30 Schülerinnen und Schülern im Alter zwischen zehn und 18 Jahren. Und Quintana weiß, weshalb ihre Schüler hier Extra-Schichten einlegen: „Sie alle lieben Spanien.“ Denn alle haben spanische Wurzeln. Eltern, Großeltern. Und auch wenn die meisten von ihnen in Deutschland zur Welt gekommen sind – diese Wurzeln wollen sie entdecken, pflegen, vertiefen. „Wenn wir nach Spanien fahren, möchte ich mit Oma und Opa in deren Sprache sprechen“, sagt Paula. Für Gonzala gilt das auch für seine Eltern hier in Stuttgart: „Sie sprechen besser Spanisch als Deutsch, ich möchte ihre Muttersprache können.“

Über das rein Sprachliche hinaus suchen sie auch einen originalsprachlichen Zugang zur Kultur und zur Geschichte der Iberischen Halbinsel, was auch das Curriculum der Schule prägt: „Landeskunde, Geschichte, Kunst und Musik, das sind unsere Stoffe“, sagt Quintana. „Die Schüler wollen das Land verstehen und in Verbindung bleiben mit der Kultur Spaniens.“

Spanisch lernen für bessere Jobchancen

Schnell zeigt sich aber auch, dass die jungen Leute noch etwas anderes motiviert: „Ich glaube, dass mir das beruflich was bringen wird“, sagt Marta. Und Sandro ist überzeugt davon, dass er „einmal mehr Chancen“ haben wird, um „im Ausland und international zu arbeiten“. Aida will Psychologie studieren. Sie glaubt, dass es gut ist, „wenn man mit anderen Menschen in mehreren Sprachen sprechen kann. Nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt“. Aber dafür brauche man eben auch „einen richtig guten Zugang zur Muttersprache“. Damit meint sie nicht deutsch, sondern Spanisch. Daneben liebt Alexander, der fünf Sprachen nebeneinander lernt, „den Vergleich der Sprachen“. Es sei zum Beispiel total spannend, mit dem Lateinischen ins Italienische zu gehen oder Grammatiken zu vergleichen.“ Und die zwölf Jahre alte Nuria büffelt in der Spanischen Schule auch deshalb, weil sie „mal was mit Sprachen machen will“.

Auffällig ist, wie selbstverständlich die jungen Leute zwischen Ländern und Sprachen hin und her wechseln. Sandra bringt das auf den Punkt: „Das ist ganz normal. Ich fühle mich in beiden Ländern zuhause, in Spanien und in Deutschland.“ Und Judith findet es witzig, dass sie „hier Spanierin und dort Deutsche“ sei: „In der Wahrnehmung der anderen.“

Deutschland ist eben nicht Spanien

Es ist klar, dass das auf einen Vergleich zwischen Deutschland und Spanien hinausläuft. Adrian findet Deutschland „ein bisschen hektisch und verklemmt“, Spanien sei entspannter. Andrea betont, dass es „in Deutschland mehr Arbeit, bessere Bezahlung und mehr soziale Unterstützung gibt“. Den Volltreffer landet Marta: „In Spanien gibt es immer was zu feiern!“

Es ist also Zeit, jetzt mal ans Wochenende zu denken. Ángela Quintana hat ein Einsehen und klappt ihre Bücher zu.