Ministerpräsident Winfried Kretschmann machte den Weg frei für den Asylkompromiss Foto: dpa

An der Suche nach Unterkünften für Flüchtlinge beteiligen sich verstärkt auch die Kirchen. Die evangelische Landeskirche in Baden hat nun ihre Mitglieder aufgerufen, Wohnraum für Menschen in Not bereitzustellen.

An der Suche nach Unterkünften für Flüchtlinge beteiligen sich verstärkt auch die Kirchen. Die evangelische Landeskirche in Baden hat nun ihre Mitglieder aufgerufen, Wohnraum für Menschen in Not bereitzustellen.

Stuttgart - Herbergssuche überall – die Aufnahme von voraussichtlich 23 000 Flüchtlingen in diesem Jahr hat sich zu einer zentralen politischen und gesellschaftlichen Aufgabe entwickelt. Während die Landesregierung die angespannte Situation durch die Einrichtung von vier dauerhaften Erstaufnahmestellen im Land in den Griff bekommen will, werden parallel die Kirchen aktiv.

Die evangelische Landeskirche in Baden forderte ihre Mitglieder auf, Asylbewerbern im Anschluss an die Erstaufnahme Logis zu gewähren. In einem Brief an alle Kirchengemeinden appellierte die Kirchenführung an Privateigentümer, leerstehende Wohnungen an Flüchtlinge zu vermieten. Für die Kirche stelle die derzeitige Suche nach Unterkünften eine zentrale „geistliche Herausforderung“ dar, heißt es in dem Schreiben. Das neue Flüchtlingsaufnahmegesetz erlaube es, dass Asylbewerber frühzeitig in einer Wohnung untergebracht werden, schreiben die Oberkirchenräte Urs Keller und Stefan Werner weiter. „Die eigene Wohnung ist eine der Grundvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben. Sie bietet den Menschen, die durch Verfolgung und Flucht oft schwer belastet sind, ein Stück Sicherheit und neue Heimat.“ Die angemessenen Mietkosten würden in der Regel von den Unterbringungsbehörden übernommen.

Der Sprecher der evangelischen Landeskirche in Württemberg, Oliver Hoesch, sagte auf Anfrage: „Unsere Kirchengemeinden sind schon lange aktiv dabei, Flüchtlingen zu helfen. Sie stellen – wie die Landeskirche auch – Wohnraum zur Verfügung, sie betreuen Flüchtlinge und versuchen, die schwierige Situation zu erleichtern. Die beiden neu geschaffenen Flüchtlingsdiakonate und zwei Asylpfarrämter vernetzten auch die Aktivitäten in den Gemeinden.

Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) besuchte am Montag die Polizeiakademie in Freiburg, einen favorisierten Standort für eine neue Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA). Die Akademie zieht allerdings erst 2016 nach Böblingen um. Frühestens Ende 2016 könne die Liegenschaft für Flüchtlinge genutzt werden, hieß es. Auch in Mannheim und Tübingen sollen Aufnahmestellen entstehen und die Landeserstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe entlasten. Wegen des weiterhin starken Anstiegs der Flüchtlingszahlen musste das Land zuletzt Behelfsquartiere in Karlsruhe und Heidelberg einrichten; eine Außenstelle in Karlsruhe wurde am Montag wegen einer Masern-Falls geschlossen. Auch die ehemalige Zollernalb-Kaserne in Meßstetten wird für die Aufnahme von Flüchtlingen vorbereitet – befristet bis 2016.

Der baden-württembergische Landkreistag begrüßte am Montag das Ja von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zum Asylrechtskompromiss mit der Bundesregierung. „Die Zustimmung abseits aller ideologischen Positionierung war ein richtiger und wichtiger Schritt, um den Herausforderungen immens steigender Flüchtlingszahlen gerecht zu werden“, erklärte Landkreistags-Präsident Joachim Walter. Die Landesregierung müsse darüber hinaus aber noch vieles auf den Weg bringen, „um die kaum noch zu beherrschenden Anforderungen zu bewältigen“. Dazu zähle die Frage der Kostenerstattung. Aktuell bewilligt das Land pro Flüchtling eine einmalige Pauschale von 12 566 Euro. Spätestens bei dem von Kretschmann für den 13. Oktober anberaumten Flüchtlingsgipfel „müssen die Weichen für ein ganzes Maßnahmenbündel gestellt werden“, forderte Walter. Welche finanziellen Erleichterungen der Asylkompromiss für die Kommunen konkret bringt, ist zunächst offen. Nach den Aussagen Kretschmanns wurde vereinbart, „dass im Rahmen der Verhandlungen zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen konstruktiv darüber verhandelt wird, wie Länder und Kommunen von ansteigenden Kosten entlastet werden können“.

Durch Kretschmanns Zustimmung war am Freitag im Bundesrat eine Mehrheit für die Abkürzung der Asylverfahren für Antragsteller aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zustande gekommen. Der Bischof der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, würdigte den Asylkompromiss am Montag als „Signal in die richtige Richtung“. Die Reform eröffne Flüchtlingen Chancen, in Deutschland menschenwürdige Aufnahme zu finden. Die Aufhebung der Residenzpflicht und dass Flüchtlinge künftig schneller eine Arbeit aufnehmen könnten, seien Zeichen einer „klugen Willkommenskultur“.

Für seine Haltung hatte Kretschmann aus den eigenen Reihen viel Kritik einstecken müssen. Er erhielt aber auch Unterstützung. Der Grünen-Kreisverband Freiburg kritisierte am Montag den Grünen-Bundestagsabgeordneten Volker Beck scharf. Beck hatte erklärt: „Das Menschenrecht auf Asyl wurde für einen Appel und ein Ei verdealt.“ Die Freiburger Grünen werteten den Anspruch angesichts der erreichten Verbesserungen für Flüchtlinge als „zynisch“ und legten Beck eine Entschuldigung nahe.