Robin Wuchter will im Mai per Anhalter die Donau bereisen. Ludwigsburger Studenten filmen die Reise von einem alten Holzschiff aus. Auf diesem Boot werden sie während der Reise leben. Es liegt in Ludwigsburg am Neckar – in desolatem Zustand. Werden sie das Schiff rechtzeitig flottkriegen?

Ludwigsburg - Felix Fahle hat ein Schiff gekauft, das ja nicht nass werden darf. Am liebsten würde er die weiße Plastikplane runterreißen und den staubigen Schatz in seiner vollen Wucht präsentieren. Aber der Regen macht es unmöglich. Das alte Holzschiff wartet in unlackiertem Zustand auf sein neues Leben. „Da würden sich die Planken mit Regen vollsaugen“, sagt Fahle und seufzt.

Stattdessen: Unter die Plane schlüpfen, Leiter hoch, bitte nicht den Kopf am Schiffsdach anschlagen. Eine Bootsbesichtigung ist nichts für Ungelenkige – besonders, wenn das Schiff noch im Trockenen auf einem Anhänger liegt. Das Innere der „Adler 34“: Staub so breit geschichtet wie der kleine Finger, ein Gewirr von porösen Leitungen und zwei Dieselmotoren, die seit drei Jahren nicht mehr getestet wurden. Und, ach ja, der Rumpf hat ein paar faulige Stellen, die rausgeschnitten und mit neuem Holz ausgefüllt werden müssen.

In sechs Wochen muss dieses Schiff einsatzfähig sein. Optimismus und Ehrgeiz scheinen im Lehrplan der Filmakademie Baden-Württemberg hohe Priorität zu haben. Am 15. April ist „Krantag“: der Tag, an dem alle Schiffe am Bootsanleger Ludwigsburg-Poppenweiler in den Neckar gehoben werden. Auch das alte Holzboot muss dann wieder schwimmfähig sein. Schon im Mai beginnen die Dreharbeiten für „Ein Mann, ein Fluss, ein Abenteuer“.

Hauptdarsteller und Regisseur zugleich

Die Idee des Films: Als Hauptdarsteller und Regisseur zugleich bereist Robin Wuchter per Anhalter die Donau. Gedreht werden soll Wuchters rund dreimonatige Reise von dem alten Holzboot aus, das zugleich zur schwimmenden Wohnung der Filmcrew wird. Die Studenten werden das Schiff von Ludwigsburg auf dem Neckar in den Rhein und über den Main-Donau-Kanal schließlich in die Donau steuern. In Regensburg wollen sie Robin Wuchter treffen und ihn bis zum Schwarzen Meer begleiten.

Die Idee klingt verrückt – dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, fördert der SWR das Projekt. „Es ist einfach toll, dass die jungen Leute so viel wagen. Das verjüngt den Sender“, sagt Joachim Lang. Er betreut das Studententeam und leitet beim SWR die Abteilung „Sonderprojekte Musik und Theater“. „Die Schiffsreparatur machen die aber in Eigenregie“, sagt Lang.

Vielleicht ist er insgeheim ganz froh darüber. 1200 Arbeitsstunden, so Fahles Kalkulation, sind nötig, um das Holzboot aus dem Baujahr 1972 wieder einsatzfähig zu machen. „Zum Glück haben wir in der Filmakademie handwerklich begabte Leute in der Szenenbildnerabteilung“, sagt Fahle. „In den nächsten Wochen werden hier sicher 20 bis 30 Leute mit anpacken.“ Rund 7500 Euro, schätzt er, werde die Reparatur kosten.

Trotz Förderung vom SWR knapp kalkuliert

Warum hat Fahle kein neueres Schiff gewählt? Die Kriterien für ein passendes Exemplar waren nicht leicht zu erfüllen: genug Platz für die vierköpfige Filmcrew, sieben Kameras und Tontechnik, außerdem „waren zwei Motoren ein Muss“, sagt Fahle. Damit die Reise trotzdem weitergehen kann, wenn einer ausfällt. Aber zu teuer durfte das Schiff auch nicht sein. Trotz Förderung vom SWR sei das Filmprojekt knapp kalkuliert, so Fahle.

Mit dem relativ niedrigen Kaufpreis und den Reparaturkosten dürften die Studenten – falls alles klappt wie geplant – günstiger wegkommen als mit dem Kauf oder dem Chartern eines neueren Schiffs. Zum Vergleich: Das Schiff „Infinity“ liegt ebenfalls in Ludwigsburg auf dem Neckar und böte genug Platz. Wer es mieten will, zahlt pro Woche knapp 2000 Euro. Da packen die Studenten lieber selbst an.

Einen Bootsführerschein hat der 21-jährige Fahle schon seit Jahren, Segelerfahrung noch dazu – aber ein Schiff zu steuern und eines zu reparieren sind nicht ganz dasselbe. Zumindest beim Fachsimpeln mit Heiko Pfitzner, Inhaber der Bootsreparatur Dölker in Ludwigsburg, klingt Fahle, als wisse er, wovon er spricht. „Sobald du mit den groben Holzarbeiten fertig bist, machen wir das alles mit Azeton dicht“, sagt Fahle zu Pfitzner, während der ein Holzstück vermisst. Bevor die Studenten die Feinarbeit machen, repariert Pfitzner die fauligen Stellen im Rumpf.

„Eigentlich hätte ich Nein sagen müssen“, sagt der Bootsexperte und lacht. „Wenn man das Schiff so richtig rundum überholen würde, wäre die Zeit viel zu gering.“ Deshalb hat Pfitzner das Ziel etwas niedriger gesteckt: „Schwimmfähig muss es sein“, sagt er, „und erst mal die Saison überstehen.“

Die Studenten wollen das Schiff trotz seines hohen Alters mit moderner Technik ausstatten: Die schwimmende Antiquität soll zum Drohnenlandeplatz werden. Fahle und seine Kollegen wollen mit einer fliegenden Kamera drehen. Fahle schwärmt von „Nahaufnahmen von Enten, nur einen Meter über der Wasseroberfläche aufgenommen.“ Weil er schon jetzt damit rechnet, dass die Drohne dabei irgendwann im Wasser landet, will die Gruppe gleich drei Exemplare einpacken. „In Moldawien“, sagt Fahle, „gibt es nämlich keine Ersatzteile für Drohnen.“

An diesem Nachmittag kann man vom Inneren des Schiffs noch durch den Rumpf nach draußen gucken, so breit sind die Spalten zwischen den alten Holzplanken. Zweifelt Fahle an seinem Plan? „Der SWR und die Filmakademie haben uns ihr Vertrauen gegeben“, sagt Fahle. „Das zeigt doch, dass wir es können.“ Es klingt, als wolle er sich mit diesen Worten selbst beruhigen. Ein paar Minuten später sagt er noch: „Natürlich gehen wir mit einer Portion Naivität da ran.“ Am 15. April wird sich zeigen, ob diese Portion zu groß war.