An Bahnübergängen mit Halbschranken passieren besonders schwere Unfälle mit vielen Toten. Foto: dpa

Zuletzt häuften sich wieder Unfälle mit katastrophalen Folgen an Bahnübergängen. Die Statistik besagt aber, dass die Zahl der Unfälle innerhalb der letzten 15 Jahren deutlich abgenommen hat.

Berlin - Wenn es an Bahnübergängen kracht, sind die Folgen meist verheerend. So wie Anfang November, als ein Regionalzug zwischen Nürnberg und Weiden mit einem liegen geblieben Sattelschlepper kollidierte. Zwei Menschen, der Zugführer und der Lastwagenfahrer, starben.

So schrecklich die Unglücke auch sind, Tatsache ist, dass die Zahl der Unfälle an Bahnübergängen kontinuierlich zurück geht. Sie hat sich von 373 im Jahr 2000 auf 155 im Jahr 2014 mehr als halbiert. Auch in diesem Jahr ist der Trend rückläufig: Bis zum 9. November wurden 120 Unfälle an Bahnübergängen gezählt. Dies geht aus der Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf die Frage des grünen Verkehrsexperten Matthias Gastel hervor, die unserer Zeitung vorliegt. Auch die Zahl der Verkehrstoten, die auf das Konto von Unfällen an Bahnübergängen geht, hat abgenommen. Im Jahr 2000 wurden 91 Todesfälle registriert, 2013 waren es 48 und 2014 54.Klar ist aber: Es gibt keine Unfallart, bei der auf 100 Unfälle so viele Tote kommen wie bei Unfällen an Bahnübergängen.

Da immer wieder Leichtsinn im Spiel ist, wenn es an Bahnübergängen zu Unfällen kommt, fordert Gastel die Bundesregierung auf, eine Aufklärungskampagne zu starten. „Es ist dringend geboten, die Verkehrsteilnehmer systematisch auf die großen Gefahren beim Überqueren von ungesicherten Bahnübergängen hinzuweisen.“ Vor allem Autofahrer, aber auch Radfahrer und Fußgänger würden immer wieder die Gefahren unterschätzen und selbst bei geschlossenen Schranken versuchen, die Gleise zu überqueren. Gastel fordert, regelmäßig im TV wieder Aufklärungssendungen nach dem Vorbild des legendären „7. Sinn“ zu bringen.

„Halbschranken besonders gefährlich“

Der deutliche Rückgang der Unfälle an Bahnübergängen wird vor allem damit erklärt, dass die Bahn zunehmend Bahnübergänge „baulich beseitigt“ hat: Statt Übergängen wurden Tunnel oder Brücken gebaut. Dennoch wird es wohl noch Jahrzehnte dauern, bis es bundesweit keine Bahnübergänge gibt.

Bundesweit bekannter Experte für Unfälle an Bahnübergängen ist Franz Schilberg aus Bergisch Gladbach. Schilberg erklärt im Gespräch mit unserer Zeitung: „Wer sich mit dem Thema beschäftigt, stößt bald darauf, dass die Zahl der tödlichen Unfälle ganz besonders hoch an Übergängen mit Halbschranken ist.“ So habe es zwischen 2009 und 2013 101 Tote bei Unfällen an Bahnübergängen mit Halbschranken gegeben. An Übergängen mit Vollschranken seien dagegen im gleichen Zeitraum nur 16 Verkehrstote gezählt worden – etwa ein Sechstel also.

Schilberg fordert seit langem, daraus Konsequenzen zu ziehen: „Es sollte dafür gesorgt werden, dass keine Vollschranken-Übergänge mehr gegen Halbschranken-Übergänge ausgetauscht werden.“ Die geringere Zahl an Todesfällen bei Vollschranken erklärt er sich so: Die Vorschriften für die Bahn seien bei Vollschranken-Übergängen strenger als bei Halbschranken-Übergängen. So muss die Bahn nur bei Vollschranken-Übergängen sicherstellen, dass sich kein Fahrzeug auf dem Bahnübergang befindet, wenn der Zug naht.

„Autofahrer verlieren die Geduld“

Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder muss der Schrankenwärter sich davon per Sichtkontakt überzeugen. Oder durch Radar. Schilberg weist zudem darauf hin, dass zweigleisige Bahnübergänge anfälliger für Unfälle sind als eingleisige Übergänge: „Bei zweigleisigen Übergängen sind die Wartezeiten für Autofahrer naturgemäß länger.“ Immer wieder komme es vor, dass aus beiden Richtungen Züge kommen und dazwischen die Schranken geschlossen bleiben. „Lange Wartezeiten führen aber nachweislich dazu, dass Autofahrer eher bereit sind, sich über die Regeln hinweg zu setzen.“ Auch weil sie irrtümlich annehmen, dass die Anlage defekt sei. „Bei Übergängen mit Wartezeiten von über drei Minuten sollten daher nur Vollschranken im Einsatz sein.“