Umweltzonen in der Region Stutgart. Foto: StN-Grafik: Lange/Quelle: Regierungspräsidium Stuttgart

Bei Ludwigsburg entsteht Umweltzone für zehn Orte – Strohgäu wartet auf übergreifende Lösungen.

Stuttgart - Weil die Feinstaubwerte in der Region trotz aller Fahrverbote nicht sinken, will das Land rund um Ludwigsburg die erste übergreifende Umweltzone einrichten. Der nächste Rundumschlag gegen die Schadstoffe könnte Leonberg treffen – die Behörden schließen einen Luftreinhalteplan fürs Strohgäu nicht mehr aus.

Wie viel Feinstaub bei ihnen in der Luft liegt wissen die Ditzinger nicht. Auch über die Belastung mit Stickstoffdioxid, dem zweiten Problemstoff für die Atemwege, können im Glemstal allenfalls Mutmaßungen angestellt werden. Überprüft nämlich wird die Schadstoffkonzentration in der Luft in Ditzingen nicht. Wie auch in den Nachbarorten Gerlingen, Schwieberdingen und Korntal-Münchingen hat die für die Kontrolle der Feinstaub-Grenzwerte im Südwesten zuständige Landesanstalt für Umweltmessungen (LUBW) in Ditzingen bisher kein Messgerät aufgestellt.

Das Fehlen von Kontrollstationen führt im Strohgäu zu der paradoxen Situation, dass durchs eigenständige Korntal noch alte Dieselruß-Dreckschleudern tuckern dürfen, die im zum Stuttgarter Stadtgebiet zählenden Weilimdorf längst ausgesperrt worden sind. Während für Leonberg ein verschärftes Feinstaub-Fahrverbot gilt, darf in den Nachbarstädten Ditzingen und Gerlingen in die Luft gepustet werden, was der Auspuff hergibt. „Wir können nur handeln, wenn uns Messergebnisse vorliegen. Ohne exakte Datenbasis sind uns die Hände gebunden“, weist Hartmut Trümner vom Stuttgarter Verkehrsministerium auf den gesetzlichen Rahmen für neue Umweltzonen hin.

Wind treibt Abgase von täglich 140.000 Autos und Lastwagen nicht nur in Leonberg in den Ortskern

Dabei ist es wenig wahrscheinlich, dass rund um das existierende Messgerät in der Leonberger Grabenstraße ständig dicke Luft herrscht und einige Kilometer weiter die Schadstoffbilanz im grünen Bereich sein soll. Schließlich liegen alle Städte rund um den Engelberg mehr oder weniger direkt an der Autobahn, der Wind treibt Abgase von täglich 140.000 Autos und Lastwagen nicht nur in Leonberg in den Ortskern. An der Stadtgrenze jedenfalls machen Schadstoffe mit Sicherheit nicht halt – dass die Umweltzonen in der Region fast ausnahmslos entlang der A 81 zu finden sind, ist für Verkehrsexperten kein Zufall.

Die Rolle der sogenannten Hintergrundbelastung ist auch der Grund, weshalb etwa der Leonberger Stadtchef Bernhard Schuler sich bereits vor Jahren vehement gegen die Einführung einer Umweltzone stemmte: „An der Messstelle in der Grabenstraße kommen rein rechnerisch nicht einmal zehn Prozent des Feinstaub-Ausstoßes aus dem Auspuff“, wetterte der Oberbürgermeister gegen einen „bürokratischen Wahnsinnsplan, der uns kaum etwas bringt“.

Tatsächlich hat sich an der Schadstoffbelastung in Leonberg seit der Einführung der Umweltzone 2008 nur wenig geändert. Beim als krebserregend geltenden Feinstaub etwa wurden beim Start der Fahrverbote noch 39 Tage mit überschrittenen Grenzwerten gezählt. Zwei Jahre später schlug das Messgerät trotz der verbannten Altmotoren an 55 Tagen Alarm. Auch beim als Reizgas für Bronchien bekannten Stickstoffdioxid blieb der erwünschte Effekt aus: Der Jahresmittelwert stieg von 67 auf 70 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft – und lag damit weit über dem gesetzlichen Grenzwert von 40.

Wer sich ohne grünen Umwelt-Bäpper erwischen lässt, riskiert 40 Euro Bußgeld und einen Strafpunkt

Weil für die Luftqualität in Leonberg kaum Besserung in Sicht war, legte das Stuttgarter Regierungspräsidium im Herbst 2011 einen verschärften Luftreinhalteplan auf den Tisch. Seit Dezember ist nicht nur Leonberg für Lastwagen über 3,5 Tonnen eine Tabuzone, das Durchfahrtsverbot für schwere Brummis wurde auch auf die beiden Stadtteile Höfingen und Gebersheim, die Nachbarstadt Ditzingen und Hirschlanden ausgedehnt. Ab Januar 2013 fallen überdies auch alle Fahrzeuge mit gelber Plakette unter den Feinstaub-Bann. Wer sich ohne grünen Umwelt-Bäpper erwischen lässt, riskiert 40 Euro Bußgeld und einen Strafpunkt in der Flensburger Verkehrssünderdatei.

Möglicherweise ist die druckfrische Fortschreibung des Schadstoff-Aktionsplans allerdings auch schon bald ein Fall für den Papierkorb. Ähnlich wie in Ludwigsburg könnte das Regierungspräsidium auch im Strohgäu auf den Gedanken kommen, dass die Schadstoffbelastung mit lokal begrenzten Auflagen nicht dauerhaft zu senken ist. „Die Tür für übergreifende Lösungen ist in der Tat einen Spalt weit offen“, erklärt Peter Zaar, Sprecher der Planungsbehörde.

Für zehn Orte rund um Ludwigsburg wird es eine übergreifende Plakettenpflicht geben

Der Hintergrund: Bei Forderungen nach regionalen Umweltzonen hatte das Land bis zum grün-roten Wahlsieg stets auf Durchzug geschaltet. Jetzt soll es für zehn Orte rund um Ludwigsburg eine übergreifende Plakettenpflicht geben – von Januar 2013 an sind von Kornwestheim bis Bietigheim nur grüne Bäpper erlaubt, Orte wie Tamm und Möglingen bleiben nicht länger ausgespart.

Auslöser für den Sinneswandel war laut Hartmut Trümner nicht nur die Hoffnung auf eine reduzierte Hintergrundbelastung, sondern auch die Sorge um den Ausweichverkehr. Außerdem drohen selbst ortskundige Fahrer im Schilderwald der Umweltzonen den Überblick zu verlieren. Alle drei Argumente gelten auch für den Fahrverbots-Flickenteppich im Strohgäu. „Ist Ludwigsburg fertig, sieht man auch bei Leonberg weiter“, heißt es im Verkehrsministerium.

In Ditzingen würde eine Ausweitung der Leonberger Umweltzone begrüßt. „Wir sind die letzten, die kein Interesse hätten“, betont Guido Braun, Referent von Rathauschef Michael Makurath. Noch mehr würde sich die Stadt allerdings über einen zusätzlichen Autobahnanschluss beim Engelbergtunnel und die Verwirklichung der Umfahrung von Heimerdingen freuen. Braun: „Das wäre für uns ein wirklicher Entlastungsfaktor“.