Jürgen Resch ist sicher, dass Richter die Kommunen bereits 2018 zu Fahrverboten zwingen werden. Foto: dpa

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat gegen 45 Städte Verfahren zur Sicherstellung der Einhaltung der Grenzwerte für Stickoxide eingeleitet. Der Druck auf Politik und Autobranche nach dem Dieselgipfel wächst.

Berlin - Gut drei Wochen nach dem Dieselgipfel steigt der Druck auf Politik und Autobranche, Fahrverbote zu verhindern. Die Deutsche Umwelthilfe leitete am Donnerstag für 45 weitere Städte formale Verfahren zur Sicherstellung der Einhaltung der Grenzwerte für Stickoxide (NOx) ein. In Berlin begann zugleich die erste von vier Expertengruppen mit der Arbeit, die Vorschläge für einen sauberen Verkehr erarbeiten sollen. Nachrüstungen jenseits von Software-Updates, die Umweltschützer für zwingend notwendig halten, lehnte Volkswagen unter Verweis auf neue Motoren ab.

Umwelthilfe-Chef Jürgen Resch sagte, die für die Luftreinhaltung zuständigen Behörden würden aufgefordert, binnen vier Wochen wirksame Maßnahmen - wie zum Beispiel Diesel-Fahrverbote - verbindlich zu erklären. Neu ins Visier des Vereins geraten sind unter anderem Schleswig-Holstein mit Kiel, die Stadt Hannover in Niedersachsen und Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt.

Die Deutsche Umwelthilfe klagt bisher in 16 Fällen

In Düsseldorf, München und Stuttgart gibt es bereits erste Richtersprüche. Insgesamt klagt die DUH bisher in 16 Fällen und unterstützt eine weitere Klage des BUND gegen Hamburg. Resch ist sicher, dass Richter die Kommunen bereits 2018 zu Fahrverboten zwingen werden. Berechnungen des Bundesumweltamts zufolge reichen die bisher beschlossenen Software-Updates bei mehr als fünf Millionen Dieseln und Umtauschprämien in fast 70 Städten nicht, um bei der Luftqualität EU-Vorgaben einzuhalten.

„Alle unsere Bemühungen sind darauf gerichtet, dass wir Fahrverbote vermeiden“, sagte Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth am Donnerstag. Der SPD-Politiker leitet gemeinsam mit der Stadt Hamburg eine von vier beim Dieselgipfel Anfang August angekündigten Expertengruppen. Er hoffe, dass es auf dieser Basis möglich werde, Klagen der Deutschen Umwelthilfe vor Gericht abzuweisen. Dazu müsse aber auch die Gruppe, die sich mit Nachrüstungen von Dieselautos beschäftige, ihren Teil beitragen.

Im Herbst soll es einen zweiten Dieselgipfel geben

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte der „ADAC Motorwelt“, nun müsse der beim Dieselgipfel beschlossene Maßnahmenkatalog „umgesetzt werden und wirken“. Ob Updates und Prämien ausreichten, könnte man „heute noch nicht mit Gewissheit sagen“, daher werde es im Herbst einen zweiten Dieselgipfel geben. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hält Nachbesserungen an Motorbauteilen neben den Updates der Motorsoftware für notwendig und hatte diese am Mittwoch erneut eingefordert. Die Autobranche lehnt diesen Schritt bisher ab.

„So etwas braucht bereits in der Entwicklung Jahre“, sagte VW-Markenchef Herbert Diess der „Autogazette“. Zugleich berge eine solche Nachrüstlösung „Risiken für die Qualität“. Ein VW-Sprecher verwies auf Anfrage auf das beim Dieselgipfel beschlossene „Gesamtpaket“, zu dem neben Software-Updates und Umtauschprämien auch ein Umweltfonds für die nachhaltige Mobilität in den Städten gehörten, und auf die Umweltfreundlichkeit der neuesten VW-Motoren.

Der ADAC hatte eine Auswertung der Stickoxid-Emissionen (NOx) von Euro-6-Dieseln in realitätsnahen Tests veröffentlicht. Bei den 188 Modellen, die seit 2013 untersucht wurden, schnitten demnach die Fahrzeuge von BMW, von Marken aus dem VW-Konzern sowie von Mercedes am besten ab. Der Branchenverband VDA hatte am Mittwoch ähnlich argumentiert. Forderungen, die über die Beschlüsse des Dieselgipfels hinausgingen, seien „eher dem laufenden Wahlkampf als Sachgründen geschuldet“. Software-Updates wirkten „vergleichsweise schnell“.

Dieselkritik sei laut Sigmar Gabriel gerade in Mode

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) warnte in der „Rhein-Zeitung“ davor, den Diesel „kaputt zu reden“: „Nur weil es gerade in Mode ist, gefährden wir einen zentralen Wirtschaftszweig und gehen mal so an den Kern des deutschen Wohlstands ran“, sagte er. Es werde so getan, als sei „auch der Diesel von morgen immer nur eine Dreckschleuder“ - dabei sei „der Diesel von heute und von morgen“ viel sauberer. „Und wenn der Diesel kaputt geredet ist, kommt ganz sicher der Ottomotor an die Reihe“, sagte der frühere SPD-Chef weiter.

Die Vorsitzende des Verbraucherschutz-Ausschusses im Bundestag, Grünen-Politikerin Renate Künast, forderte von der Bundesregierung „klare Kante“ gegenüber den Autobauern sowie Hardware-Nachrüstungen. „Jetzt nicht aktiv zu werden, heißt die Kunden mit den drohenden Fahrverboten allein zu lassen“, sagte sie.