Jürgen Resch von der Umwelthilfe (DUH) treibt seit Jahren die deutsche Automobilindustrie vor sich her – wie schafft er das trotz relativ bescheidener Finanzmittel? Foto: dpa

Die Deutsche Umwelthilfe verfügt über beste Kontakte im Bund und in den Ländern. Viele Vertraute des ehemaligen Bundesumweltministers Jürgen Trittin (Grüne) sind auch in der Merkel-Regierung an Schlüsselpositionen im Verkehrs- und Umweltbereich.

Brüssel/Berlin - Jürgen Resch von der Umwelthilfe (DUH) treibt seit Jahren die deutsche Automobilindustrie vor sich her. Wie schafft es der grauhaarige Mittfünfziger, die Debatte um Schadstoffausstoß und Spritverbrauch maßgeblich zu beeinflussen und mit seinen Kampagnen den Branchenverband VDA regelmäßig in den Schatten zu stellen? Am Geld kann es nicht liegen. Die DUH hatte 2015 einen Jahresetat von gut acht Millionen Euro. Die Organisation zählt insgesamt rund 90 Mitarbeiter. Sowohl beim Personal wie auch bei den Finanzen ist dies ein Bruchteil der Ressourcen, auf den der VDA sowie die Hersteller zurück greifen können.

Resch, seit fast 30 Jahren Chef des Vereins, verfügt über anderes Kapital. Er ist ein hoch professionell arbeitender Lobbyist. Er ist bestens verdrahtet, die Erfolge verdankt er auch seinem Adressbuch, seinen Handynummern. So kommt er immer wieder an wertvolle Informationen. Über Jahrzehnte hat er sein Netzwerk rund um die Themen Auto und Schadstoffe geknüpft.

Über viele Jahre gewachsene Kontakte

Eine wichtige Rolle für die Anbahnung der Kontakte spielten dabei so genannte Fachgespräche unter dem Dach der DUH, nicht selten gesponsert von Unternehmen. Dabei geben sich im informellen Rahmen hohe Beamte aus Verkehrs- und Umweltministerien, Mitarbeiter von Herstellern, selbst Lobbyisten von Mineralölwirtschafts- und Autoherstellern die Klinke in die Hand. Resch selbst spricht auch gelegentlich von „Hinweisgebern“, Informanten also, die ihm Vertrauliches und Sensibles von den Herstellern zukommen lassen. Es gibt Hinweise, dass die DUH von den Konzernbetriebsräten der Hersteller über Interna informiert wird.

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Vor allem aber gibt es intensive und über viele Jahre gewachsene Kontakte bis hinein in die obersten Etagen der Ministerien auf Bundes- und Länderebene, die fachlich für die Abgas- und Schadstoffproblematik zuständig sind. Wenn man so will eine Anti-Diesel-Connection von der DUH zu hohen Beamten, auch Angestellte und ehemaligen Beamten. Diese Kontakte laufen sowohl auf der Bundesebene, hier geht es vor allem um die Ministerien für Umwelt, Wirtschaft sowie um das Umweltbundesamt, eine nachgeordnete Behörde des Umweltministeriums. Auf Landesebene gibt es Hinweise dafür, dass die Umwelthilfe auf gute Kontakte ins Haus von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) zurückgreifen kann, der etwa am offensivsten unter den Länderverkehrsministern für die Einführung der Blauen Plakette getrommelt hat.

Unsere Redaktion hat mehrere Ministerien gebeten, über die Kontakte zur Umwelthilfe Auskunft zu geben. Und sich dabei auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützt, wonach die Behörden Auskunft geben müssen. Die Rückläufe waren höchst unterschiedlich. Das Bundesumweltministerium hat es nicht einmal für nötig befunden, auf die schriftliche Anfrage zu reagieren, die vor mehr als zwei Wochen bei dem Haus eingegangen ist. Womöglich ist ein Grund dafür, dass aus dem Haus heraus schon in den Zeiten, da dort der Grüne Jürgen Trittin (1998 bis 2005) Chef war, beste Kontakte zur Umwelthilfe gepflegt werden.

Wie eng die gewachsenen Beziehungen zwischen der DUH und dem Haus sind, darauf deutet etwa die Personalie von Rainer Baake hin. Der heute 62-jährige Baake war beamteter Staatssekretär unter Trittin und verhandelte für ihn mit den Betreibern der Kraftwerke den Atomausstieg. Als Trittin nach der Wahlniederlage von Rot-Grün 2005 das Ministerium räumen musste, verpflichtete die DUH wenig später 2006 Baake als Co-Geschäftsführer. Resch und Baake arbeiteten jahrelang Hand in Hand. Bis 2012 war Baake an der Spitze der Umwelthilfe. Obwohl Baake Grüner ist, holte SPD-Chef Sigmar Gabriel den ehemaligen Funktionär der Umwelthilfe 2014 wiederum als beamteten Staatssekretär ins Bundeswirtschaftsministerium. Dort arbeitet Baake mit Matthias Machnig zusammen, der im Wirtschaftsministerium die gleiche Position hat und schon 2005 bis 2009 im Bundesumweltministerium Staatsekretär war, als in Brüssel die Luftreinhaltungsrichtlinie beschlossen wurde, die derzeit für so viel Ärger sorgt.

Strippenzieher, die unter Jürgen Trittin Karriere gemacht haben

In der Regierung Merkel zieht mit Jochen Flasbarth, beamteter Staatssekretär im Bundesumweltministerium, ein weiterer Spitzenbeamter in der zweiten Reihe die Strippen, der unter Jürgen Trittin Karriere gemacht hat. Flasbarth wurde unter Trittin 2003 Abteilungsleiter im Umweltministerium, bevor der heute 55-Jährige 2009 Chef des Umweltbundesamtes (UBA) wurde. Der heutige Sprecher des Umweltministeriums, Michael Schroeren, ist ein weiterer Trittin-Vertrauter: Schroeren war Trittin-Sprecher im Umweltministerium und auch danach, als der Grüne Fraktionschef im Bundestag wurde.

Zu Trittins Zeiten unterhielt Resch bereits beste Kontakte zu einem weiteren hohen Beamten im Bundesumweltministerium, Uwe Lahl. Der heute 66-jährige Lahl war in Berlin von 2001 bis 2009 Ministerialdirektor, zuständig für Immissionsschutz und Verkehr. Lahl spielte schon zu Berliner Zeiten mit der Umwelthilfe immer wieder über Bande, wenn es etwa um Grenzwerte im Verkehrsbereich ging. Obwohl Lahl eine große Nähe zu den Grünen hatte, ließ Gabriel ihn im Amt, als er in der ersten großen Koalition Umweltminister wurde. Erst nach dem Regierungswechsel 2009, als Schwarz-Gelb übernahm und Norbert Röttgen (CDU) Chef des Hauses wurde, musste Lahl gehen. Lahl tauchte aber wieder auf. Der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann holte ihn 2013 nach Stuttgart. Dort ist Lahl als Ministerialdirektor sein Stellvertreter. Lahl tritt im Bund und im Land als Verfechter einer strengen Linie in der Abgasproblematik auf.

Getrieben von seiner Mission

Resch, selbst kein Grünen-Mitglied, ist getrieben von seiner Mission: Die zumindest früher engen Kontakte zu Lahl halten ihn nicht davon ab, in der Debatte um überhöhte Schadstoffkonzentrationen in Stuttgart und Diesel-Fahrverbote zuweilen auch hart gegen Verkehrsminister Hermann auszuteilen. Als weiterer hochrangiger Mitarbeiter aus dem Stuttgarter Verkehrsministerium, der Kontakte zur Umwelthilfe haben dürfte, gilt Christoph Erdmenger. Erdmenger leitet die Abteilung 4 für Nachhaltige Mobilität. Erdmenger, früher Landeschef der Grünen in Sachsen-Anhalt, ist einer jener Umweltexperten mit grünem Stallgeruch, die über die Jahrzehnte mit Fachkenntnis Karriere gemacht haben und in den Ministerien und Behörden hohe Positionen erobert haben. Von dem 47-jährigen Erdmenger hört man, dass er durchaus Sendungsbewusstsein hat: So soll er bei einem Treffen mit Betriebsräten eines Autoherstellers die Frage gestellt haben, ob man den Mitarbeitern nicht das kostenlose Parken auf dem Werksgelände verbieten müsse. Begründung: Es handele sich dabei um einen geldwerten Vorteil.

Das Verkehrsministerium in Stuttgart hat auf Anfrage unserer Zeitung mitgeteilt, dass es zwischen dem Haus und der Umwelthilfe Kontakte gibt. Neben „Sammelanschreiben oder Telefonanrufen“ seitens der Umwelthilfe, die „hier nicht im einzelnen nachvollziehbar“ seien, führt das Haus in der Antwort an unsere Zeitung „solche Kontakte“ auf, „bei denen das Verkehrsministerium (auch) selbst aktiv geworden ist“: So habe sich Erdmenger im Januar per „Email-Nachfrage“ bei der Umwelthilfe nach Feinstaub-Messungen an Taxen erkundigt, die im Auftrag der Umwelthilfe durchgeführt worden seien. Noch am gleichen Tag hat er auch eine Antwort erhalten.

Das Gehirn der Anti-Diesel-Kampagne

Diese Mail kam von dem Mann, der die Verbindung zwischen all diesen hohen Beamten und der Umwelthilfe darstellt. Es handelt sich um einen Pensionär, der bald seinen 70. Geburtstag feiert, immer noch mit Feuereifer gegen die Luftverschmutzung durch Autoabgase und für strenge Grenzwerte kämpft. Er war Beamter im UBA, 27 Jahre lang Abteilungsleiter für Verkehr. Ob es um den Katalysator ging, den Rußfilter oder ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen, er war bei jeder Kampagne dabei. Der Chemiker sagt selbstbewusst über sich selbst: „Ich habe alle europäischen Grenzwerte im Verkehrsbereich beeinflusst.“ Auch er ist ein Überzeugungstäter, der sich mit seiner Sturheit im Beamtenapparat nicht nur Freunde gemacht hat. Ein hoher Beamter hat einmal über ihn gesagt: „Er ist wie ein ungesteuertes U-Boot.“ Bei ihm sei schwer auszurechnen, wo die Torpedos einschlagen. Die Rede ist von Axel Friedrich. Er unterhielt schon in seiner UBA-Zeit intensive Kontakte zu Resch. Bei seiner Pensionierung wechselte er komplett die Seiten: Seit 2007 arbeitet er unmittelbar mit der Umwelthilfe zusammen.

Friedrich ist der wissenschaftliche Kopf der DUH für die Schadstoff- und Verbrauchsmessungen. Wenn man so will, ist er das Gehirn der Anti-Diesel-Kampagne. Er ist ständig unterwegs, nimmt Proben von Diesel-Abgasen, analysiert sie. Nicht nur Autos, auch Kreuzfahrtschiffe hat er im Visier. Früher war die Umwelthilfe auf die Analyse von fremden Laboren angewiesen. Inzwischen hat Friedrich seine eigene Einrichtung bei der Umwelthilfe. Friedrich ist der „wissenschaftliche Leiter“ des Emissionskontrollinstituts (EKI) der DUH. Er liefert die Datensätze zum Ausstoß von NOx und CO ‚, mit der die DUH die Hersteller anschließend konfrontiert. Auf einem 31-Kilometer-Rundkurs testet er, ob die Angaben der Autohersteller stimmen und entlarvt immer wieder Differenzen.

Wenn es um Schadstoffe und Spritverbrauch von Autos geht, will es die Umwelthilfe immer sehr genau wissen. Resch ist nicht zimperlich, wenn es darum geht, anderen Betrug vorzuwerfen. Auch kreidet er den Herstellern und der Politik häufig mangelnde Transparenz an. Wenn es um die eigene Organisation geht, werden seine eigenen Auskünfte allerdings spärlich. So versucht die Umwelthilfe etwa die Bedeutung, die Friedrich für die Organisation hat, zu kaschieren. Die Umwelthilfe bezeichnet ihn lediglich als „Sachverständigen“ oder „Berater“. Diese Bezeichnungen legen nahe, dass er ein Außenstehender wäre. Doch Distanz zur Umwelthilfe hat Friedrich nicht. Auch bei der Bezahlung lässt sich Resch nicht in die Karten gucken. Resch sagt lediglich: „Axel Friedrich arbeitet für ein Tageshonorar.“ Und wie hoch sind die Sätze? Antwort: „Sehr moderat.“