Nach Informationen des Verfassungsschutzes hat Scientology diese Immobilie 2010 über Mittelsmänner zum Preis von acht Millionen Euro gekauft. Foto: Michael Steinert

Die umstrittene Organisation plant an der Heilbronner Straße ihr bundesweit größtes Zentrum. Alle Fraktionen im Bezirksbeirat sind verärgert – rechtlich besteht keine Handhabe, da es sich um ein privates Immobiliengeschäft handelt.

S-Nord - Die Befürchtungen des Bezirksbeirats Nord haben sich bestätigt. Nach Auskunft des Landesamtes für Verfassungsschutz ist davon auszugehen, dass die Immobilie Heilbronner Straße 67 bis 69 von den Scientologen 2010 über Mittelsmänner zum Preis von acht Millionen Euro gekauft wurde. Die Verfassungsschützer haben die verschlungenen Wege des Privatverkaufs der Immobilie, die zuvor im Besitz der Firma Porsche war, über Israel und ein deutsches Bundesland nachverfolgt. Dabei kamen sie zu dem für alle Fraktionen im Bezirksbeirat ärgerlichen Ergebnis. Als Käufer wird die „G. Stuttgart Properties Ltd.“ angegeben.

Die Recherchen des Verfassungsschutzes münden in die Feststellung „dass es sich bei der Immobilie in der Heilbronner Straße 67-69 wahrscheinlich um das geplante neue Stuttgarter Scientology-Zentrum handelt“, heißt es in dem Bericht. Dieser wurde von Oberbürgermeister Fritz Kuhn kürzlich der Bezirksvorsteherin Sabine Mezger zugestellt. Sie unterrichtete den Bezirksbeirat darüber. Demzufolge will die äußerst umstrittene, aber bisher nicht verbotene, selbst ernannte Kirche in Stuttgart ein neues Zentrum gründen und „die größte Scientology-Niederlassung in Deutschland werden“, so ist es im Bericht des Verfassungsschutzes Baden-Württemberg von 2014 zu lesen.

Prominente Lage

Ins Rollen gebracht hatte Bezirksbeirätin Ana Kezdiora (FWV) die Nachforschungen nach der Zukunft des Gebäudes an der Ecke zur Tunzhofer Straße, das seit drei Jahren leer steht. Ende Oktober hatte die FWV-Gemeinderatsfraktion einen entsprechenden Antrag bei der Verwaltung gestellt. Kedziora fragt sich jedoch, weshalb es ein halbes Jahr dauerte, bis eine Antwort kam. „Strategisch hat sich die Organisation in dieser Lage eine Sahneschnitte gesichert“, sagt sie. Gerade die prominente Lage des Gebäudes beim Europaviertel und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Sanierungsgebiet am Bürgerhospital macht den Bezirksbeiräten Sorgen. „Das ist keine Nachbarschaft, die man sich wünscht“, sagt Sebastian Sage (SPD).

„Mein Anliegen ist es, dass sich die Scientologen nicht noch weiter auf dem Areal einkaufen und eine Stadt in der Stadt gründen“, äußert Ralph Wöhrle (Grüne) seine Befürchtungen. Er hat sich eingehend mit dem totalitären Gedankengut der Scientologen auseinandergesetzt, denn ein Angehöriger von ihm ist selbst dort Mitglied. „Sie wollen die Wirtschaft und die Politik unterwandern“, fasst er die Ziele zusammen. Es müsse verhindert werden, dass an dem Gebäude Banner und andere Werbung angebracht wird. „Damit nicht junge Leute direkt vom Milaneo hierher gezogen werden“, sagt Wöhrle.

Kritik am Vorgehen der Stadt

Sebastian Serwani (FDP) sieht auch Gefahren für die Besucher der benachbarten Drogenberatungsstelle des Bürgerhospitals, die nach der Sanierung bleiben wird, und Timo Haug (CDU) ärgert sich: „Die Stadt hat verschlafen.“ Er sei irritiert, dass sie das Gebäude seinerzeit nicht vorsorglich gekauft habe, um so das Sanierungsgebiet zu arrondieren und sich alle Optionen für die künftige Nutzung offen zu halten. „Seit vier Jahren beschäftigen wir uns mit der Türlenstraße. Aber immer wurde dieses eine Gebäude aus dem Bebauungsplan rausgehalten“, wundert er sich. „Wenn man das gesamte Gebiet neu gestalten will, muss man doch alles betrachten“, kritisiert er. Nur das ursprüngliche denkmalgeschützte Bürgerhospital bleibt, die anderen Gebäude werden abgerissen.

Beim Baurechtsamt liegt ein Baugesuch vor

Für eine Immobilie, die erst noch kernsaniert werden muss, sei der Kaufpreis stattlich, rechnet er vor. Auch dies spreche für die wohlhabende Scientology-Organisation, für die die Landeshauptstadt wirtschaftlich interessant ist. Beim Baurechtsamt liegt ein Baugesuch für die fragliche Adresse vor. Allerdings nicht unter dem Namen Scientology. „Wir werden uns rechtlich beraten lassen, was wir machen können“, kündigt Sebastian Sage an, aber wie alle anderen im Gremium ist er sich der schieren Aussichtslosigkeit angesichts des Privatverkaufs bewusst. „Ich befürchte, dass wir keine wirkliche Handhabe haben“. bringt es Sabine Rück-Klaffke (SÖS-Linke-Plus) auf den Punkt.