Bundesbankchef Jens Weidmann fordert von der EZB einen Kurswechsel. Foto: dpa

Der Jahresüberschuss bricht ein, weil die Bundesbank ihre Risikovorsorge massiv erhöhen muss. Für die steigenden Target-Forderungen werden indes keine Rückstellungen gebildet. Der Geschäftsbericht aus Frankfurt liefert neuen Zündstoff für den Streit über die Geldpolitik der EZB.

Frankfurt - Die Bundesbank überweist dem Finanzministerium in Berlin 2,1 Milliarden Euro weniger als im Haushalt eingeplant. Anstelle der erwarteten 2,5 Milliarden Euro erhält Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dieses Jahr nur 400 Millionen Euro aus Frankfurt – das ist der niedrigste Betrag seit 2004, wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann am Donnerstag mitteilte. Im vergangenen Jahr hatte die Bundesbank noch 3,2 Milliarden Euro Gewinn ausgeschüttet.

Hauptgrund für den Gewinneinbruch ist die umstrittene Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Um die damit verbundenen Risiken abzufedern, stockte die Bundesbank ihre Wagnisrückstellung um 1,8 Milliarden Euro auf 15,4 Milliarden Euro auf. Danach verblieb ein Überschuss von 1 Milliarde Euro, von denen aber 600 Millionen Euro einer Ausschüttungssperre unterliegen. Letzteres hängt mit den Pensionsrückstellungen zusammen.

Berlin sieht schwarze Null nicht gefährdet

Die Bundesregierung reagierte angesichts der hohen staatlichen Überschüsse gelassen: „Aus heutiger Sicht ist nicht erkennbar, dass der Haushalt wegen dieser Mindereinnahme insgesamt zum Ende des Jahres ins Defizit geraten könnte.“

Trotzdem dürfte der Geschäftsbericht der Bundesbank die Auseinandersetzung über die europäische Geldpolitik anheizen. Denn mit der Erhöhung der Risikovorsorge wappnet sich die Notenbank gegen Belastungen, die langfristig aus dem umstrittenen Anleihekaufprogramm entstehen.

Weidmann will für Zinswende vorsorgen

Die Bundesbank erwirbt im Auftrag der EZB hauptsächlich deutsche Staatsanleihen, die ausgesprochen niedrig oder – je nach Laufzeit – sogar negativ verzinst sind. Diese Papiere dürften deshalb über Jahre kaum Erträge abwerfen. Das könnte zum Problem werden, wenn die EZB ihre kurzfristigen Zinsen wieder anhebt – dann hätten die Geschäftsbanken mit Konten bei der Bundesbank nämlich wieder Anspruch auf eine Verzinsung ihrer Einlagen. Aktuell müssen sie den von der EZB eingeführten Strafzins von 0,4 Prozent berappen. Bei einer Normalisierung der Zinsen würden sich diese Einnahmen für die Bundesbank aber in Ausgaben umkehren. In diesem Fall „könnten Verluste entstehen, und genau dafür bilden wir jetzt Rückstellungen“, sagte Bundesbankchef Weidmann, der die EZB-Politik seit langem kritisiert.

Das Eurosystem – also die EZB und die nationalen Notenbanken der Währungsunion – haben seit März 2015 Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Volumen von rund 1,7 Milliarden Euro erworben. Bis zum Jahresende will die EZB auf diese Weise weitere 600 Milliarden Euro in die Märkte pumpen. Sie drückt damit die Finanzierungskosten der Euroländer. Weidmann sieht darin einen Anreiz für steigende Staatsschulden.

Target-Forderungen auf Rekordniveau

Ein Nebeneffekt des Kaufprogramms ist der Anstieg der sogenannten Target2-Forderungen der Bundesbank, die Ende Januar den Rekordwert von 796 Milliarden Euro erreichten. Target2 ist ein Zahlungsverkehrssystem, über das Überweisungen im Euroraum abgewickelt werden. Dies gilt auch für Zahlungen im Rahmen des Anleihekaufprogramms. Bestellt etwa die griechische Notenbank bei einer deutschen Geschäftsbank Staatsanleihen, so läuft diese Transaktion über die Bundesbank. Diese schreibt den fälligen Betrag auf dem Konto der verkaufenden Bank gut und verbucht eine Forderung in gleicher Höhe gegenüber der griechischen Notenbank.

Sollte Griechenland aus der Eurozone ausscheiden, so stünde die Rückzahlung dieser Forderung infrage. Gleichwohl hat die Bundesbank für ihre Target-Forderungen keine Rückstellungen gebildet. „Wir gehen in der Bilanz davon aus, dass die Währungsunion bestehen bleibt“, sagte Weidmann. Auf Fragen zu Frankreich, das im Falle eines Wahlsiegs der rechtsextremen Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen die Eurozone verlassen und damit deren Zerfall provozieren könnte, entgegnete Weidmann: „Ich gehe davon aus, dass auch die nächste französische Regierung zu Europa und hinter dem Euro steht.“ http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.strafzinsen-erreichen-kommunen-wer-geld-braucht-wird-belohnt.b7b8cd70-1421-47a6-aee1-29eb02da52ff.html