Das Kanzleramt in Berlin am Tag der offenen Tür. Foto: dpa

In der früheren Bundeshauptstadt am Rhein beäugt man die Berliner Neubauten von Innen- und Forschungsministerium mit großem Argwohn. Schon im vergangenen Jahr seien die in Bonn angesiedelten Arbeitsplätze in den Ministerien unter die 40-Prozent-Marke gefallen.

In der früheren Bundeshauptstadt am Rhein beäugt man die Berliner Neubauten von Innen- und Forschungsministerium mit großem Argwohn. Schon im vergangenen Jahr seien die in Bonn angesiedelten Arbeitsplätze in den Ministerien unter die 40-Prozent-Marke gefallen.

Berlin/Bonn - Die Linke jubelt, wie immer, wenn es um den Regierungsumzug nach Berlin geht. „Ein Komplettumzug der Bundesregierung ist überfällig. Er sollte politisch alsbald, fern von anstehenden Wahlen im Bund oder in Nordrhein-Westfalen, beschlossen werden.“ Was Petra Pau, Vorstandsmitglied der Linke-Bundestagsfraktion, als Berlinerin pflichtgemäß frohlocken lässt, geht auf die Kappe von Jürgen Gehb. Zwar ist der Hut schon älter, aber auch der frühere CDU-Abgeordnete setzt ihn sich in diesem Fall gern auf.

Gehb, seit 2010 Sprecher des Vorstandes der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) mit Sitz in Bonn, freut sich in einem Gespräch mit der „Berliner Zeitung“ jedenfalls über die rege Bautätigkeit des Bundes in Berlin, auch wenn er gestern auf Anfrage betonte: „Ich bin nur Vollstreckungsgehilfe der Politik und achte selbstverständlich das Berlin/Bonn-Gesetz.“

Der Bund lässt in Berlin quasi auf Vorrat bauen

Dabei lässt der Bund in Berlin gewissermaßen auf Vorrat bauen. Falls es eines Tages doch einen politischen Beschluss für einen Umzug aller Bundesministerien nach Berlin geben sollte, will man gewappnet sein. Der Bonner SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber verweist dazu auf einen Beschluss des Haushaltsausschusses, zusätzlich Büroflächen in Berlin zu bauen, den die Bonner Abgeordneten seinerzeit selbstredend kritisiert hätten. Kelber sieht darin einen „klaren Verstoß“ gegen das Berlin/Bonn-Gesetz, wonach der größte Teil der Arbeitsplätze der Bundesministerien in Bonn erhalten bleiben soll.

Schon im vergangenen Jahr seien die in Bonn angesiedelten Arbeitsplätze in den Ministerien unter die 40-Prozent-Marke gefallen. Fest steht: Das Bundesinnenministerium bekommt einen Steinwurf vom Kanzleramt entfernt seinen neuen Sitz. Einzug: 2015. Und auch für das Bundesforschungsministerium wird in Sichtweite des Kanzleramtes ein Neubau hochgezogen.

Gehb kann an so viel neuer politischer Bürofläche in Berlin nichts Schlechtes finden: „Die künftigen Dienstsitze für das Innenministerium sowie das Ministerium für Bildung und Forschung in Berlin werden mit so vielen Büros gebaut, dass sämtliche Beschäftigte aus Bonn und Berlin einziehen könnten – sofern die Politik einen solchen Beschluss fassen würde“, sagt Gehb.

Den Stuttgarter Nachrichten teilt er am Dienstag mit, die BImA, die auch die Immobilien des Bundes in Berlin verwaltet, komme dabei nur dem Bauauftrag der einzelnen Ressorts nach. Gehb betont: „Ohne eine solche Diskussion befeuern oder gar entfachen zu wollen: Wenn die Politik einmal einen Umzug beschließen würde, wäre die  BImA immobilientechnisch gewappnet.“ Und er fährt fort: „Wir bauen nicht, um einen Anreiz zu schaffen.“ Wenn die Politik jedoch einen entsprechenden Beschluss fassen sollte, wolle er sich nicht sagen lassen müssen, völlig unvorbereitet auf Zuwächse beim Bedarf an Raum und Personal gewesen zu sein.

"Wie ein Herzchirurg einen Bypass legen
"

Der BImA-Chef zu etwaigen Umzugsüberlegungen: „Ich bin niemand, der das forcieren würde. Aber ich bin derjenige, der wie der Herzchirurg den Bypass legen muss, wenn die Weichen so gestellt sind.“

Vor allem gegen einen schleichenden Umzug aller Bundesministerien von Bonn nach Berlin wehren sich Abgeordnete aus der Region Bonn vehement. Der frühere Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der für den Rhein-Sieg-Kreis im Bundestag sitzt, sagt: „Politisch entscheidend ist die Verlässlichkeit des Berlin/Bonn-Gesetzes, zu dem sich die Große Koalition erneut bekannt hat, so dass es bei der gegebenen Arbeitsteilung bleibt.“ Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach betont: „Das Berlin/Bonn-Gesetz gilt. Ich bedauere die immer wiederkehrenden Versuche, das Gesetz auszuhöhlen, sehr.“ Bosbach befürchtet, dass der Druck durch viele „kleine Teilumzüge“ von Referaten, Abteilungen und Behörden nach Berlin in den nächsten Jahren zunehmen könnte und es damit immer weiter in Richtung eines „Komplettumzug“ gehen könnte.

Die Bonner Abgeordnete Katja Dörner (Grüne) sieht das ähnlich wie Bosbach: „Die Aussagen der BImA bestätigen die Befürchtung, dass durch die großen Neubauten der beiden Ministerien in Berlin der Komplettumzug quasi durch die Hintertür vorbereitet wird. Auf welcher Grundlage die BImA agiert, ist mehr als fragwürdig.“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière teilte den Bonner Abgeordneten Kelber, Dörner und Claudia Lücking-Michel unterdessen schriftlich wie beruhigend mit, dass er „mit Blick auf die geltenden Bestimmungen des Berlin/Bonn-Gesetzes den zweiten Dienstsitz des BMI nicht infrage stelle“.