Für die befragten Stuttgarter ist die EU nicht mehr wegzudenken. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Vor 60 Jahren wurde der Grundstein für die Europäische Union gelegt. Lange dominierten europakritische Stimmen. Nun demonstrieren viele Menschen für die Union. Wir haben uns umgehört, warum junge Leute die EU nicht missen möchten.

Stuttgart - Für junge Menschen ist die Europäische Union nicht mehr wegzudenken. Sie schätzen die Reisefreiheit und die internationale Vernetzung, ebenso die gemeinsamen demokratischen Werte sowie Frieden und Zusammenhalt auf dem Kontinent. Verbesserungsvorschläge für die EU haben einige trotzdem.

Sven Bischoff (28)

Die Reisefreiheit ist für mich ein großer Vorteil der EU. Überhaupt gefällt mir die Interkulturalität, die inzwischen entstanden ist, sehr gut. Ich habe beruflich mit EU-Projekten zu tun, deshalb ist Europa als System für mich total selbstverständlich. Ich denke überhaupt gar nicht mehr in Landesgrenzen. Kritisch sehe ich, dass oft nationale Parlamente durch EU-Entscheidungen ausgehebelt werden. Auch wünsche ich mir zum Beispiel gegen den US-Präsidenten Donald Trump ein geschlossenes Auftreten aller Länder. Problematisch sehe ich, dass sich im Moment viele Länder nicht mehr mitgenommen fühlen.

Greta (12)

Für mich bedeutet Europa Frieden und Zusammenhalt. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es die EU einmal nicht mehr gibt. Es macht mir Sorgen, dass nun so viele Länder aussteigen wollen. Vor allem wegen Donald Trump, da ist es gut, wenn wenn alle in Europa zusammenhalten.

Daniela Rau (18)

Ich habe mit Europa bisher nur tolle Erfahrungen gemacht, deshalb setze ich mich hier auch im Rahmen von „Pulse of Europe“ für die Zukunft Europas ein. Ich habe über die Schule an vielen EU-Austauschprojekten teilgenommen, war in Ländern wie Frankreich, Italien, Estland und Finnland. Inzwischen habe ich in vielen Ländern Freunde. „Pulse of Europe“ ist für mich deshalb auch ein Zeichen gegen den aufstrebenden Populismus in vielen Ländern. Ich sehe aber auch vieles kritisch: Das herrschende Elitedenken müsste abgebaut werden, bisher besteht die EU aus meiner Sicht nur aus hochrangigen Politikern. Europa findet deshalb nur in Straßburg und Brüssel statt, Europa muss aber inmitten der Bevölkerung der Mitgliedstaaten existieren.

Mona Mager (23)

Europa ist für mich eine gute Sache, nicht nur wegen des freien Reisens und der einheitlichen Währung. Ich finde es wichtig für den Zusammenhalt, daher brauchen wir aus meiner Sicht noch einheitlichere Gesetze in vielen Bereichen. Allerdings hätte man genauer prüfen müssen, welche Länder aufgenommen werden und welche nicht. Bei Griechenland halte ich die Aufnahme für falsch. Über die Türkei bin ich ehrlich gesagt nicht genug informiert, welche Kriterien sie erfüllt, aber einfach von meinem Gefühl her, sollte sie nicht EU-Mitglied werden.

Maren Priewe (26)

Europa bedeutet für mich Freiheit und gemeinsame Werte, die man aber auch hinterfragen können muss, ja, auch immer wieder neu diskutieren muss. Für die Zukunft müssen wir kritisch überlegen, welches Europa wir wollen, gerade in derzeitiger Lage. Ich bin für offene Grenzen und befürworte die Aufnahme von Flüchtlingen. Für mich könnte Europa deshalb noch offener gestaltet sein. Einiges muss aber vielleicht anders werden: Ich habe meinen Master in Spanien gemacht. Viele Spanier machen andere Erfahrungen mit der EU. Sie sehen es als „deutsches Europa“ und kritisieren zum Beispiel die Merkel-Politik hinsichtlich Griechenlands.

Sophia Gißler (19)

Europa ist für mich ein Identitätsgefühl. Viele in meinem Alter fühlen sich nicht mehr deutsch oder holländisch, sondern europäisch. Für unsere Generation fangen die Grenzen an zu verschwimmen. Wir Jüngeren haben über Schüleraustausch, Erasmus und Kulturveranstaltungen eine andere Denkweise von Europa und gerade solche Sachen geben nationalistischen Strömungen erst gar keinen Nährboden. Wir haben Frieden und Sicherheit durch die EU gewonnen, wir genießen viele Privilegien. Das ist für mich viel wert. Trotzdem halte ich die EU für reformbedürftig, damit die Akzeptanz auch wieder in den Ländern wächst, in denen sie derzeit fehlt.

Donald Schulz (25)

An sich finde ich Europa eine richtig gute und wahnsinnig wichtige Sache. Wir müssen weg kommen von dem nationalen Denken. Alle europäischen Länder vertreten die gleichen Grundrechte, haben dieselben Werte. Das muss auch so bleiben. Allerdings haben vor allem wir hier in Deutschland von Europa profitiert, in Portugal oder Griechenland sehen die Menschen das vielleicht anders. Die Sparmaßnahmen fand ich zum Beispiel für diese Länder viel zu krass. Es könnten schon noch mehr Länder aufgenommen werden, aber eben nur, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen; die Aufnahme der Türkei sehe ich eben nicht gerechtfertigt. Schade wiederum finde ich, dass die Briten austreten. Aber wir müssen die Entscheidung akzeptieren. Ich hoffe nur, daraus entsteht kein Domino-Effekt.

Martin Katarov (21)

Die Idee von Europa finde ich echt gut. Ich fände es sogar super, wenn wir eine Weltunion gründen würden, die alle Länder zusammen bringt. Ich komme aus Bulgarien und allein die Tatsache, dass ich nun seit einem Jahr in Deutschland studieren darf und mich hier nie als Ausländer gefühlt habe, zeigt, wie viel sich in der Welt dank der EU geändert hat. Wichtig finde ich, dass sich in Zukunft die Einkommensunterschiede in den Mitgliedsländern angleichen. Ich verdiene hier in meinem Nebenjob in einer Cateringfirma mehr als mein Vater in Bulgarien, der seit 30 Jahren in seinem Beruf arbeitet. Kritisch sehe ich auch, dass wir auf einmal viele große deutsche Handelsfirmen in Bulgarien haben, die unsere kleinen Geschäfte kaputt machen.

Myriel Richter (23)

Europa bedeutet für mich Frieden, Freiheit, Solidarität, aber auch Loyalität bis zu einem gewissen Punkt. Ich bin mit Europa aufgewachsen, für mich ist es richtig und wichtig. Es ist gut, sich bewusst zu machen, was wir an der EU haben. Daher finde ich es auch gut, dass es die „Pulse of Europe“-Bewegung gibt und so viele Menschen sich offen zu Europa bekennen. Gerade weil ich die populistischen Bewegungen sehr kritisch sehe. Ich stimme denen nicht zu, aber wir müssen uns damit mehr auseinandersetzen. Aber es ist wichtig, dass es mit der EU eine Gegenbewegung zu Trump, Erdogan und Putin gibt.

Marco Reiser (25)

„Pulse of Europe“ – das ist eine ultragute Bewegung, die gefehlt hat. Endlich zeigt jemand, was gut ist an der EU. Viele pöbeln immer nur, machen alles schlecht. Fakt ist, wir haben seit Jahrzehnten Frieden und Zusammenhalt in Europa. Meine Generation ist mit Europa aufgewachsen, wir können uns nicht vorstellen, dass es die EU plötzlich einfach nicht mehr geben soll. Ich denke aber trotzdem, dass das System weiterentwickelt werden muss. Nicht jedes Land sollte bei allem mitmachen müssen, so wie eben auch nicht alle den Euro haben. Bisher ist die zähe Einstimmigkeitssuche ein großes Problem, das hemmt den Prozess und ruft viel Kritik hervor.