Beratungen über den Haushalt 2012/2013 im Stuttgarter Rathaus Foto: Piechowski

Notbremse bei Etatberatungen: OB Wolfgang Schuster und Fraktionen setzten zweite Lesung aus.

Stuttgart - Bei den Etatberatungen im Stuttgarter Rathaus ist die Notbremse gezogen worden. OB Wolfgang Schuster und die Ratsfraktionen setzten die zweite Lesung des Haushalts aus. Was sich da anbahne, sei unverantwortlich, hatte Kämmerer Michael Föll erklärt. Die Ausgaben müssten um 111 Millionen Euro gekürzt werden.

"Das kann nicht gutgehen", hatten manche Bürgermeister und Stadträte bereits nach der nichtöffentlichen ersten Lesung und den Beratungen über neue Investitionen im November vermutet. Diese Vorahnungen bestätigten sich am Montag.

Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) legte dem Finanzausschuss des Gemeinderats eine überaus bedenkliche Zwischenbilanz vor. Durch die Beschlüsse aus der ersten Lesung, durch Verschlechterungen bei den städtischen Einnahmen und durch die absehbaren Entscheidungen in den restlichen Beratungen würde ein Stadthaushalt 2012/2013 zustande kommen, der nicht genehmigungsfähig sei, warnte Föll. Nach dieser Prognose würde der Kreditbedarf der Stadt in den beiden kommenden Jahren auf 411,1 Millionen Euro hochschnellen. Dies müsse umgehend verhindert, der Kreditbedarf auf maximal 300 Millionen Euro begrenzt werden - 100 Millionen im Jahr 2012 und 200 Millionen Euro im Jahr 2013, erklärte Föll in seinem Zwischenbericht. Der Absturz der Haushaltsplanung ist umso vielsagender, da die Stadt sich bei den Steuereinnahmen (+43,5 Millionen Euro) und den Landeszuschüssen für die Kleinkinderbetreuung (+28,6 Millionen Euro) sogar noch satte Verbesserungen erwartet im Vergleich zu den Zahlen, die im Etatentwurf Niederschlag gefunden hatten. Doch auf der anderen Seite haben die Gemeinderatsfraktionen und zum Teil auch die Verwaltung inzwischen bis zu 52,8 Millionen Euro mehr pro Jahr für Schulsanierungen eingeplant. Gleichzeitig ging die Hiobsbotschaft ein, dass die Stadt 2012 rund 20 Millionen Euro und im Jahr 2013 sogar 40 Millionen Euro abschreiben kann, die sie sich als Ausschüttung von der Landesbank Baden-Württemberg erwartet hatte.

"Zu starker Schluck aus der Pulle"

Den Kämmerer beunruhigt freilich nicht nur der Ausblick auf die beiden Haushaltsjahre 2012 und 2013. Für den gesamten Zeitraum bis 2016 würde sich der Kreditbedarf der Stadt sogar auf 853,8 Millionen Euro summieren, wenn man den eingeschlagenen Weg nicht korrigierte, rechnete er den Stadträten jetzt vor. Zukünftige Haushalte würden durch Zins- und Tilgungsleistungen in einem Maße belastet, dass die dauerhafte finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt nicht mehr gegeben wäre. "Der durch die Haushaltskonsolidierung seit Anfang der 1990er Jahre erreichte Schuldenabbau wird in kurzer Zeit komplett rückgängig gemacht", warnte Föll. Falls sich wieder einmal eine Wirtschaftskrise einstellen sollte, wäre die Stadt mangels finanziellem Spielraum nicht mehr handlungsfähig. Und OB Wolfgang Schuster (CDU) wandte sich in der Aussprache gegen eine Schuldenpolitik, die von künftigen Generationen bezahlt werden müsste.

Bei den Stadträten sei das Problembewusstsein durchaus groß gewesen, berichteten Teilnehmer der Sitzung. Man sei sich einig gewesen, dass man keinen Haushalt aufstellen wolle, dem das Regierungspräsidium Stuttgart am Ende die Genehmigung verweigern würde. Man wolle sich die Gestaltungsfreiheit erhalten, nicht dem Diktat der Aufsichtsbehörde ausliefern. Daher vertagten die Gemeinderatsfraktion und die Verwaltungsspitze nach der Aussprache die zweite Lesung. Am Montagabend wollten sich alle Fraktionen und die Finanzverwaltung intern die Konsequenzen überlegen. Eines zeichnete sich davor bereits ab: An der Steuerschraube will der Gemeinderat, abgesehen von der Vergnügungssteuer, nicht drehen. Die Hebesätze für Grundsteuer und Gewerbesteuer würden nicht verändert, hieß es. An diesem Dienstag, zum Auftakt des zweiten von insgesamt drei Beratungstagen bei der zweiten Lesung, wollen sich Schuster und die Fraktionsvorsitzenden wieder abstimmen. Dann soll es weitergehen.

"Atmosphärisch ist die Stimmung nicht einmal schlecht, vielmehr recht konstruktiv", sagte ein Mitglied der Verwaltung, "ich glaube, die Stadträte haben erkannt, dass sie einen zu starken Schluck aus der Pulle genommen hatten."